Irrlichternde Sterne - Risse in Italiens Regierung Von Annette Reuther, dpa

11.02.2019 13:20

Eine Regionalwahl in Italien zeigt die Probleme der
Populisten-Allianz in Rom schonungslos. Vor allem die Sterne-Bewegung
sucht einen Ausweg aus ihrer Krise. Ihre Sorge: dass Hardliner
Salvini alleine an die Spitze des Landes marschiert.

Rom (dpa) - Die Abruzzen sind eine kaum bekannte Region in Italien.
Nur hin und wieder schaut man auf diese Gegend mit ihren vielen
kleinen Bergdörfern. Zum Beispiel wenn es mal wieder ein schlimmes
Erdbeben gegeben hat - wie vor zehn Jahren in der Stadt L'Aquila.
Jetzt schaute Italien auf diese Region, weil die dortige Regionalwahl
einen Spiegel von dem ist, was im ganzen Land passiert: Der rechte
Innenminister Matteo Salvini triumphiert. In den Abruzzen gewann das
von seiner Lega unterstützte Rechtsbündnis haushoch, seine Partei
wurde stärkste Kraft. Die Koalitionspartner der Fünf-Sterne-Bewegung
hingegen mussten eine schmerzliche Schlappe hinnehmen.

Es war der erste Test der Populisten-Allianz in Rom seit der
Parlamentswahl im März vergangenen Jahres. Das Verhältnis der beiden
ungleichen Parteien in der Regierung dürfte nun noch schwieriger
werden - und die populistischen Töne noch schärfer. Da halfen auch
die Beschwichtigungen des parteilosen Premiers Giuseppe Conte nicht,
der am Montag sagte, das Ergebnis bedeute «nichts für die nationale
Regierung». Auch Salvini, sonst der König provokanter Aussagen,
betonte: «In der Regierung ändert sich nichts.» Sterne-Chef Luigi D
i
Maio - sonst nie um einen schnellen Tweet oder ein Facebookvideo
verlegen - war am Tag danach erst mal auffällig still.

Denn seine Partei ist in der derzeitigen Allianz der eindeutige
Verlierer. Während Salvini mit seinem Anti-Migrations-Kurs in
landesweiten Umfragen bestens ankommt und die Lega bei rund 32
Prozent liegt (bei den Parlamentswahlen vergangenes Jahr hatte sie
noch 17 Prozent geholt), sind die Sterne auf etwa 25 Prozent
abgerutscht (von rund 32 bei der Wahl). Da musste die
Anti-Establishment-Partei unter anderem einen diplomatischen Streit
mit Frankreich vom Zaun brechen, um sich in den Medien neben Salvini
zu behaupten.

Dabei steht Italien, Gründungsmitglied der EU, immer isolierter da.
Nachdem der Streit mit der EU-Kommission über den Haushalt endlich
beigelegt war, folgte neuer Ärger über blockierte Rettungsschiffe mit
Migranten. Und jetzt wird mit der diplomatischen Krise mit Frankreich
die öffentliche Erregung hochgehalten. Selbst gegen Berlin - das
bisher von den Attacken aus Rom halbwegs verschont geblieben ist -
stänkerte Conte zuletzt. Der Regierung war der Freundschaftspakt von
Aachen zwischen Frankreich und Deutschland ein Dorn im Auge.

«Die Normalisierung der Beziehungen mit Brüssel haben nicht zu einer
besseren Position Italiens in der Europäischen Union geführt»,
analysiert Giovanni Orsina von der Luiss-Universität in Rom in einem
Lagebericht zu Italien. Je näher die Europawahl rückt, desto mehr
Lärm wird aus Rom erwartet. Denn die Wahl Ende Mai gilt als
ultimativer Gradmesser für die Beliebtheit der beiden
Regierungsparteien, die untereinander im Dauerwettkampf stehen.

Im Gegensatz zur Lega fährt die Sterne-Partei einen Schlingerkurs,
legt sich nicht auf Positionen fest. Besonders verfahren ist für die
Sterne die Lage bei Großprojekten wie der Hochgeschwindigkeitsstrecke
zwischen Lyon und Turin (TAV), die sie in der Opposition stets
abgelehnt hatten. In der Regierung ist das mit dem Dagegen-Sein
jedoch nicht so einfach. Das Projekt zu stoppen, würde Unsummen
kosten. Während die Sterne irrlichtern, ist die Lega klar dafür.

Nicht nur hier tun sich die Differenzen zwischen den
Regierungsparteien auf. Deutlich wurde der Konflikt auch bei der
Venezuela-Frage. Nachdem sich die Regierung nicht zu der Krise
positionieren konnte, musste Staatspräsident Sergio Mattarella
eingreifen und rief zu einer gemeinsamen Linie auf.

Einig scheint man sich nur darüber, dass die im Haushalt
festgeschriebenen, umstrittenen Maßnahmen wie ein Bürgereinkommen und
eine Rentenreform Italien wieder Wachstum bringen. Allerdings halten
fast alle Ökonomen diesen Optimismus für verfehlt. Die Hiobsbotschaft
kam erst vor Kurzem: Als erste Volkswirtschaft der Eurozone war
Italien zum Jahresende 2018 in die Rezession gerutscht.

In Rom wird daher wild spekuliert, wie lange die Zweckehe noch halten
kann. Salvini könnte angesichts der guten Umfragewerte darauf setzen,
dass er bei einer Neuwahl durchmarschieren kann und sich als Premier
nicht mehr mit seinem «schwierigen, turbulenten und (...)
unbeholfenen» Koalitionspartner herumärgern muss, erklärt Wolfango
Piccoli von der europäischen Denkfabrik Teneo.

Eine Neuwahl wäre für die Sterne unter derzeitigen Vorzeichen
allerdings alles andere als erstrebenswert. Müssen sie doch
befürchten, dass sich Salvini mit einer Mitte-Rechts-Koalition
alleine durchsetzt.

Hinzu kommt, dass die Regierung beim Volk gut ankommt - und das nicht
nur wegen eines komatösen Zustands der linken Opposition. Die
Zustimmung liegt bei bis zu 60 Prozent. «Die Flitterwochen zwischen
Wählern und den Parteien, die die Conte-Regierung unterstützen, sind
noch nicht vorbei», so Politikexperte Orsina.