Neues EU-Urheberrecht steht: Verlage jubeln, Kritiker fürchten Zensur

14.02.2019 15:26

Wird das Internet für Nutzer in Europa bald ganz anders aussehen?
Kritiker des neuen europäischen Urheberrechts befürchten schlimme
Folgen. Alles Unsinn, sagen die Befürworter.

Brüssel (dpa) - Bessere Verdienstchancen für Verleger, Autoren und
Musiker - neue Vorgaben für Internetplattformen wie Youtube und Co:
EU-Unterhändler haben sich nach langem Streit auf neue Regeln für den
Schutz von Urheberrechten geeinigt. Während sich Verleger
hochzufrieden zeigten, kam am Donnerstag von Verbraucherschützern und
Internet-Aktivisten drastische Kritik. Zensur im Internet sei damit
Tür und Tor geöffnet, beklagten sie.

Unterhändler der EU-Staaten und des Europaparlaments hatten am
Mittwoch einen Kompromiss bei der Reform ausgehandelt, die bereits
seit 2016 diskutiert wird. Enthalten sind zwei zentrale Neuerungen:
Suchmaschinen sollen für das Anzeigen von Artikel-Ausschnitten etwa
auf den Google-News-Seiten künftig Geld an die Verlage zahlen. Und
Plattformen wie YouTube müssen alles ihnen Mögliche tun, um
Urheberrechtsverletzungen zu verhindern.

EU-Kommissionsvizepräsident Andrus Ansip lobte die Pläne, die aber
erst noch formal vom Rat der EU-Länder und vom Europaparlament
gebilligt werden müssen. Die Reform mache das Urheberrecht nicht nur
fit für das Internetzeitalter, es stärke auch die Rechte normaler
Nutzer. «Sie können ohne Furcht vor Strafe hochladen», sagte Ansip.
Denn nicht die Nutzer, sondern die Plattformen müssten auf die
Einhaltung von Urheberrechten achten.

Verleger, Autoren und Musiker bekämen mehr Verhandlungsmacht
gegenüber Plattformen und Suchmaschinen, um für ihre Werke besser
entlohnt zu werden, betonte Ansip. «Es geht um faire Bezahlung.»
Qualitätsmedien würden damit gestärkt.

Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger und der Verband
Deutscher Zeitschriftenverleger sehen dies ähnlich. Die Novelle sei
eine große Chance für unabhängigen Journalismus in der digitalen Är
a,
erklärten sie in Berlin. Verlage bekämen erstmals die Chance, mit den
großen Plattformen über die Nutzung ihrer Inhalte zu einem fairen
Preis zu verhandeln. Die Vielfalt professioneller digitaler
Medienangebote werde erhöht. «Dies ist ein guter Tag für die
Meinungs- und Pressevielfalt in Europa und der Welt», erklärten die
Verbände.

Kritiker sehen dies vollkommen anders. Sie stoßen sich vor allem an
der Vorgabe an große Internetplattformen, mögliche Verstöße gegen
Urheberrechte zu verhindern. Geschützte Werke wie Filme oder Musik
müssten demnach lizenziert werden, bevor sie auf den Plattformen
landen - oder dürften nicht hochgeladen werden.

Die Folge seien «flächendeckende Upload-Filter», kritisierte der
Verbraucherzentrale Bundesverband und beklagte die Missachtung von
Nutzerrechten. Upload-Filter sind Software, mit der Plattformen beim
Hochladen überprüfen können, ob Bilder, Videos oder Musik
urheberrechtlich geschützt sind. Kritiker befürchten, dass auch
legale Inhalte, Parodien oder Zitate aussortiert werden könnten.

Die Linken-Europaabgeordnete Martina Michels sprach von
«Zensurmaschinen». Auch der FDP-Experte Jimmy Schulz beklagte:
«Unternehmen werden faktisch dazu gezwungen, eine Zensurinfrastruktur
aufzubauen.» Das wäre ein Schlag gegen freie Meinungsäußerung. Die

Piraten-Europapolitikerin Julia Reda warnte: «Dieser Deal ist eine
Gefahr für kleine Verlage, Autoren und Internetnutzer gleichermaßen.»


Der Internetgigant Google hielt sich in seiner Stellungnahme zu der
Einigung sehr zurück und erklärte lediglich: «Die Urheberrechtsreform

muss allen zugute kommen - einschließlich der europäischen Kreativen
und Verbraucher, kleiner Verleger und Plattformen.» Man werde den
Text der Einigung nun analysieren und über die nächsten Schritte
entscheiden.

Kritiker warnen auch, dass die großen Suchmaschinen - statt Verleger
für Artikelausschnitte zu entlohnen - Inhalte aus ihren
Ergebnislisten tilgen könnten. Nutzer würden in dem Fall weniger oder
andere Ergebnisse gezeigt bekommen als heute.

Der zuständige Berichterstatter im Europaparlament, Axel Voss (CDU),
zeigte für Kritik wenig Verständnis. «Digitaler Urheberrechtsschutz
beendet endlich das Wildwest im Internet, bei dem die Rechteinhaber
bisher oft untergebuttert werden», sagte Voss. «Den neuen Realitäten

und Geschäftsmodellen des digitalen Zeitalters können wir jetzt
gerecht werden.»