May hält trotz Niederlage an ihrem Brexit-Kurs fest

15.02.2019 19:03

Nach der Schlappe im Parlament gibt sich Theresa May stur. Die Option
eines Brexits ohne Abkommen will sie nicht ausschließen. Am 27.
Februar könnte die letzte Chance für die Abgeordneten sein, die
Regierung zum Einlenken zu zwingen.

London/Brüssel (dpa) - Die britische Premierministerin Theresa May
will trotz der jüngsten Niederlage im Parlament an ihrem Brexit-Kurs
festhalten. Das sagte die für Parlamentsfragen zuständige Ministerin,
Andrea Leadsom, am Freitag im BBC-Radio. Ein EU-Austritt ohne
Abkommen (No Deal) solle auch weiterhin als Option offen bleiben,
fügte sie hinzu.

Die Brexit-Hardliner in Mays konservativen Regierungspartei hatten
ihr am Donnerstag bei einer Abstimmung über die weiteren Schritte im
Brexit-Prozess die Gefolgschaft versagt. Sie fürchteten, May könne
sich Forderungen beugen, ein ungeregeltes Ausscheiden aus der
Staatengemeinschaft in jedem Fall zu verhindern.

Die Schlappe nagt an Mays Glaubwürdigkeit, bis zum Austrittsdatum am
29. März eine Mehrheit für den Mitte Januar vom Parlament abgelehnten
Brexit-Vertrag zusammenzubekommen. Trotzdem will die Regierungschefin
weiterhin die EU zu Änderungen am Austrittsabkommen bewegen. «Die
Premierministerin macht weiter. Sie wird weiterhin auf rechtlich
verbindliche Änderungen am Backstop hinarbeiten, die dem Parlament
erlauben, den Deal zu unterstützen», sagte Leadsom.

Die als Backstop bezeichnete Garantie für eine offene Grenze zwischen
dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland gilt als
Schlüsselproblem für eine Ratifizierung des Brexit-Abkommens. Sie
sieht vor, dass Großbritannien solange in der Europäischen Zollunion
bleibt, bis das Problem anderweitig gelöst ist. Brexit-Hardliner
fürchten aber, die Regelung könnte das Land dauerhaft eng an die EU
binden und eine eigenständige Handelspolitik unterbinden.

Ende Januar hatten die Abgeordneten May den Auftrag gegeben, den
Backstop durch «alternative Regelungen» zu ersetzen. Die
Premierministerin hatte sich zum Erstaunen Brüssels hinter den Antrag
gestellt und war damit auf Schmusekurs zu den Brexit-Hardlinern
gegangen. Die EU pocht auf den Backstop, weil sie sonst eine Rückkehr
der Gewalt in der ehemaligen Bürgerkriegsregion befürchtet. Bisher
gibt es keine Anzeichen, dass Brüssel in der Frage nachgibt.

Sollte es bis zum Brexit-Datum nicht gelingen, das Abkommen zu
ratifizieren, droht ein No-Deal-Brexit mit chaotischen Folgen für die
Wirtschaft und viele andere Lebensbereiche. Den Brexit zu
verschieben, lehnt die Regierung in London bislang vehement ab.

Die EU-Kommission wollte am Freitag Mays Abstimmungsniederlage nicht
kommentieren. Ein Sprecher von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude
Juncker nannte auch noch keinen Termin für den geplanten Besuch der
Premierministerin in Brüssel. Brexit-Minister Stephen Barclay hatte
am Donnerstag angekündigt, May werde nächste Woche erneut zu Juncker
nach Brüssel reisen.

Am Montag will Barclay selbst weitere Gespräche mit EU-Unterhändler
Michel Barnier führen. Zudem soll der britische Generalstaatsanwalt
Geoffrey Cox nach Brüssel fahren. Er gilt als maßgeblich für die
Einschätzung, in welcher Form Änderungen am Backstop
rechtsverbindlich wären.

Grünen-Europachef Reinhard Bütikofer übte scharfe Kritik an May.
«Dass Frau May um die Zukunft ihres Landes pokert, statt durch
ernsthafte Gespräche mit der Opposition eine Mehrheit ohne die
Extremisten zu suchen, ist ein Beweis für außerordentliche
Verantwortungslosigkeit», erklärte Bütikofer. Mays Kurs führe auf
«verschlungenen Pfaden am Ende doch zu einem No-Deal-Brexit». Seine
Parteikollegin Franziska Brantner mahnte die EU, Großbritannien bei
der Planung für einen Brexit ohne Abkommen nicht zu weit
entgegenzukommen. «Mit Notfallplanungen, die über das Nötige
hinausgehen, steigt das Risiko, dass die Briten einen ungeregelten
Brexit wählen», sagte die Europapolitikerin dem «Spiegel».

«Wir müssen aufpassen, dass uns die Briten nicht gegeneinander
ausspielen», sagte der Chef des Bundestags-Europaausschusses, Gunther
Krichbaum (CDU), dem «Spiegel». Nach Informationen des Magazins
warnte auch die Vize-Generalsekretärin der EU-Kommission, Céline
Gauer, diese Woche in Berlin vor zu weitreichenden Zugeständnissen
bei der Notfallplanung.

Kritiker werfen May vor, die Gefahr eines ungeregelten Brexits als
Druckmittel zu nutzen. Eine parteiübergreifende Gruppe von
Abgeordneten plant daher, der Regierung bei der nächsten
Abstimmungsrunde im Parlament am 27. Februar die Kontrolle über den
Austrittsprozess zu entreißen. Der Plan sieht vor, May zum
Verschieben des EU-Austritts zu zwingen, falls sie bis Mitte nächsten
Monats keinen Erfolg mit ihrem Austrittsabkommen hat. Doch ob der
Plan Erfolg haben wird, ist ungewiss.