Merkel: USA stufen europäische Autos als Sicherheitsgefahr ein Von Ansgar Haase und Tobias Schmidt, dpa

16.02.2019 12:17

US-Sonderzölle auf deutsche Autos? Für Präsident Trump scheint der
Weg frei. Die Bundeskanzlerin fasst die entscheidende Einschätzung
des US-Handelsministeriums so zusammen: erschreckend.

München (dpa) - Europäische Autos sind eine Bedrohung für die
nationale Sicherheit der USA - zu dieser Einschätzung ist nun nach
Angaben von Kanzlerin Angela Merkel offensichtlich das
US-Handelsministerium gekommen. Das sei für Deutschland erschreckend,
sagte Merkel am Samstag bei der Münchner Sicherheitskonferenz. «Wir
sind stolz auf unsere Autos. Das dürfen wir ja auch.»

Auf der Grundlage der Einschätzung des Handelsministeriums könnte
US-Präsident Donald Trump neue Sonderzölle einführen. Der Wert
europäischer Auto- und Autoteilexporte in die USA wurde zuletzt von
der EU-Kommission auf mehr als 50 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt.

Merkel sagte, sie verstehe nicht, wie die Amerikaner deutsche Autos
als Gefahr für die nationale Sicherheit einstufen könne. «Diese Autos

werden gebaut in den Vereinigten Staaten von Amerika. Im
US-Bundesstaat South Carolina befinde sich das größte BMW-Werk.
«Nicht in Bayern, in South Carolina», betonte die CDU-Politikerin.
«Ich glaube, es wäre gut, wir kommen in gute Gespräche miteinander.
»

Offiziell endet an diesem Sonntag die Frist für eine Entscheidung des
US-Handelsministeriums darüber, ob der Import von Autos und
Zulieferteilen die nationale Sicherheit des Landes beeinträchtigt.
Sollte dies der Fall sein, könnte Trump binnen 90 Tagen darüber
befinden, ob er Sonderzölle erheben will. Zuletzt wurden Sonderzölle
in Höhe von 25 Prozent ins Gespräch gebracht. Dadurch will Trump das
amerikanische Handelsdefizit abbauen und Jobs in den USA schaffen.

Laut einer Studie des Münchner ifo Instituts dürften neue Sonderzölle

besonders die deutschen Autobauer empfindlich treffen. Sollten die
USA die Importzölle dauerhaft um 25 Prozent erhöhen, könnten sich die

deutschen Autoexporte in die USA langfristig fast halbieren, geht aus
Berechnungen des Instituts hervor. Das würde sich auch spürbar auf
die Ausfuhren insgesamt auswirken: «Diese Zölle würden die gesamten
Auto-Exporte aus Deutschland um 7,7 Prozent verringern, was einem
Wert von 18,4 Milliarden Euro entspräche», sagt ifo-Experte Gabriel
Felbermayr.

Wann genau die Entscheidung des Ministeriums öffentlich wird, ist
bislang unklar - am kommenden Montag ist in den USA ein Feiertag. Das
Ministerium wollte sich vorab nicht zu der Entscheidung äußern.

Die EU hatte bereits angekündigt, dass sie auf neue US-Zölle mit
Vergeltungszöllen reagieren würden. Der Umfang der
Ausgleichsmaßnahmen würde sich nach den entstehenden Schäden richten

und im Einklang mit den Regeln der Welthandelsorganisation WTO
berechnet werden, sagte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström
zuletzt in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. Denkbar
ist demnach, dass im ersten Schritt Ausgleichszölle auf US-Waren im
Wert von rund 20 Milliarden Euro verhängt würden.

Der US-Botschafter bei der EU, Gordon Sondland, verteidigte die
Zolldrohung. «Die Europäer sind überhaupt nur bereit, mit uns zu
verhandeln, weil Autozölle drohen», sagte Sondland der
«Wirtschafswoche». «Bei diesen Themen geht es um viel Geld. Es sieht

so aus, als ob nur Druckmittel funktionieren.»

Sollte Trump nun tatsächlich ernst machen, dürfte dies laut ifo die
Wertschöpfung der deutschen Autoindustrie um rund fünf Prozent
beziehungsweise um sieben Milliarden Euro senken. Innerhalb der EU
würden etwa 60 Prozent des Schadens für die Wirtschaftskraft auf die
Bundesrepublik entfallen. Die Wertschöpfung in der US-Autoindustrie
dürfte dagegen um rund 25 Milliarden Euro steigen.

Noch im Dezember hatte eine Delegation deutscher Automanager von VW,
Daimler und BMW Trump getroffen, um ihn von Sonderzöllen abzubringen
- doch wie viel das brachte, bleibt unklar.

Die deutsche Autoindustrie warnt vor Abschottung und verweist auf die
Bedeutung der deutschen Autobauer und Zulieferer für den
US-Arbeitsmarkt. «2018 waren rund 118 000 Mitarbeiter in ihren Werken
direkt beschäftigt, rund 8000 mehr als ein Jahr zuvor», heißt es vom

Verband der Automobilindustrie (VDA). «Während wir 2018 rund 750 000
Fahrzeuge in den deutschen US-Werken produziert haben, wurden nur 470
000 Neuwagen aus Deutschland in die USA exportiert.»

Würde es keine Gegenreaktion anderer Länder geben, könnten die USA
langfristig von Sonderzöllen erheblich profitieren, sagt Felbermayr.
«Porsche, Audi, BMW, Mercedes & Co. würden verstärkt in den USA
produzieren und so die Zölle umgehen.» Wer weiter in die USA
exportiere, müsse die Preise senken. Außerdem würden die USA
Milliarden an Zolleinnahmen kassieren. Das Problem ist nur:
«Gegenzölle machen das alles kaputt.»

Und das könnte der Haken an Trumps Rechnung sein. Schon auf die zuvor
verhängten US-Sonderzölle auf Stahl und Aluminium hatte die EU mit
Einfuhrschranken auf US-Produkte reagiert - etwa auf Whiskey. Und
hier zeigen sich bereits Folgen: Die Whiskey-Exporte aus den USA in
die EU sind laut dem US-Branchenverband The Distilled Spirits Council
zuletzt deutlich gesunken. Allerdings geht es hier um vergleichsweise
kleine Summen.