Merkel: USA behandeln europäische Autos als Sicherheitsgefahr Von Ansgar Haase, Tobias Schmidt und Christiane Jacke, dpa

16.02.2019 14:55

US-Sonderzölle auf deutsche Autos? Präsident Trump droht seit
längerem damit. Alle warten auf eine maßgebliche Einschätzung des
US-Handelsministeriums dazu. Kanzlerin Merkel plaudert die vorab aus
- und äußert sich schockiert.

München/Washington (dpa) - Europäische Autos sind eine Bedrohung für

die nationale Sicherheit der USA - zu dieser Einschätzung ist nun
nach Angaben von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) offensichtlich das
US-Handelsministerium gekommen. Das sei für Deutschland erschreckend,
sagte Merkel am Samstag bei der Münchner Sicherheitskonferenz. «Wir
sind stolz auf unsere Autos. Das dürfen wir ja auch.» Auf der
Grundlage der Einschätzung des Handelsministeriums könnte
US-Präsident Donald Trump neue Sonderzölle einführen. Der Wert
europäischer Auto- und Autoteilexporte in die USA wurde zuletzt von
der EU-Kommission auf mehr als 50 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt.

Merkel sagte, sie verstehe nicht, wie die Amerikaner deutsche Autos
als Gefahr für die nationale Sicherheit einstufen könnten. «Diese
Autos werden gebaut in den Vereinigten Staaten von Amerika.» Im
US-Bundesstaat South Carolina befinde sich das größte BMW-Werk.
«Nicht in Bayern, in South Carolina», betonte sie. «Ich glaube, es
wäre gut, wir kommen in gute Gespräche miteinander.»

Offiziell endet an diesem Sonntag die Frist für eine Entscheidung des
US-Handelsministeriums darüber, ob der Import von Autos und
Zulieferteilen die nationale Sicherheit des Landes beeinträchtigt.
Sollte das Ministerium in einem Bericht, den es zu der Frage vorlegen
soll, zu diesem Schluss kommen, könnte Trump binnen 90 Tagen darüber
befinden, ob er Sonderzölle erheben will. Zuletzt wurden Sonderzölle
in Höhe von 25 Prozent ins Gespräch gebracht. Dadurch will Trump das
amerikanische Handelsdefizit abbauen und Jobs in den USA schaffen.

Doch ein solcher Schritt ist auch in den USA umstritten - und nicht
ohne Risiko. Experten warnen, höhere Preise könnten die
Auto-Verkaufszahlen in den USA bremsen und damit letztlich auch Jobs
gefährden. Die US-Autoteile-Industrie mahnt, Sonderzölle seien eine
zusätzliche Belastung für amerikanische Firmen und auch für die
Verbraucher.

Auch aus dem US-Kongress kommt Kritik. Der einflussreiche Senator
Chuck Grassley etwa - Vorsitzender des Finanzausschusses im Senat -
klagte zuletzt, Sonderzölle auf Autos und Autoteile würden
Verbraucher enorm belasten, die sich ein Auto kauften - egal, ob es
in den USA produziert oder importiert sei. «Zölle sind keine
langfristige Lösung», mahnte der Republikaner. Sie könnten
kurzfristig Schutz für die inländische Wirtschaft liefern - aber auf
Kosten von Verbrauchern und Industrien, die zunehmend von komplexen
globalen Lieferketten abhingen.

Das Ergebnis des Berichts aus dem US-Handelsministerium entscheidet
noch nichts. Trump ist trotz der Einschätzung des Ministeriums völlig
frei darin, welchen Weg er einschlagen will. Der Präsident hat sich
zuletzt, etwa im Handelskonflikt mit China, als «Mann der Zölle»
inszeniert. Aber sieht er die Drohung mit Autozöllen nur als
Druckmittel, um die Europäer zu Verhandlungen zu zwingen? Oder würde
er wirklich ernst machen? Bei der Entscheidung - über ein Thema, das
viele Bürger trifft - dürfte auch der nahende Wahlkampf für die
Präsidentschaftswahl 2020 eine Rolle spielen.

Wann genau die Entscheidung des Ministeriums öffentlich wird, ist
bislang unklar. An diesem Montag ist in den USA ein Feiertag. Das
Ministerium wollte sich vorab nicht zu der Entscheidung äußern.

Laut einer Studie des Münchner ifo Instituts dürften neue Sonderzölle

die deutschen Autohersteller empfindlich treffen. Sollten die USA die
Importzölle dauerhaft um 25 Prozent erhöhen, könnten sich die
deutschen Autoexporte in die USA langfristig fast halbieren, geht aus
den Berechnungen hervor. Das würde sich auch spürbar auf die
Ausfuhren insgesamt auswirken: «Diese Zölle würden die gesamten
Auto-Exporte aus Deutschland um 7,7 Prozent verringern, was einem
Wert von 18,4 Milliarden Euro entspräche», sagte ifo-Experte Gabriel
Felbermayr.

Die EU hatte bereits angekündigt, dass sie auf neue US-Zölle mit
Vergeltungszöllen reagieren würden. Denkbar ist demnach, dass im
ersten Schritt Ausgleichszölle auf US-Waren im Wert von rund 20
Milliarden Euro verhängt würden.

Sollte Trump tatsächlich ernst machen, dürfte dies laut ifo die
Wertschöpfung der deutschen Autoindustrie um rund fünf Prozent
beziehungsweise um sieben Milliarden Euro senken. Innerhalb der EU
würden etwa 60 Prozent des Schadens für die Wirtschaftskraft auf die
Bundesrepublik entfallen. Die Wertschöpfung in der US-Autoindustrie
dürfte dagegen um rund 25 Milliarden Euro steigen.

Noch im Dezember hatte eine Delegation deutscher Automanager von VW,
Daimler und BMW Trump getroffen, um ihn von Sonderzöllen abzubringen
- doch wie viel das brachte, bleibt unklar.

Die deutsche Autoindustrie warnt vor Abschottung und verweist auf die
Bedeutung der deutschen Autobauer und Zulieferer für den
US-Arbeitsmarkt. «2018 waren rund 118 000 Mitarbeiter in ihren Werken
direkt beschäftigt, rund 8000 mehr als ein Jahr zuvor», heißt es vom

Verband der Automobilindustrie (VDA). «Während wir 2018 rund 750 000
Fahrzeuge in den deutschen US-Werken produziert haben, wurden nur 470
000 Neuwagen aus Deutschland in die USA exportiert.»

Würde es keine Gegenreaktion anderer Länder geben, könnten die USA
langfristig von Sonderzöllen erheblich profitieren, sagte ifo-Experte
Felbermayr. «Porsche, Audi, BMW, Mercedes & Co. würden verstärkt in
den USA produzieren und so die Zölle umgehen.» Wer weiter in die USA
exportiere, müsse die Preise senken. Außerdem würden die USA
Milliarden an Zolleinnahmen kassieren. Das Problem ist nur:
«Gegenzölle machen das alles kaputt.» Und das könnte der Haken an
Trumps Rechnung sein.