Angst vor US-Zöllen auf europäische Autos - Scharfe Kritik von Merkel Von Ansgar Haase, Tobias Schmidt und Christiane Jacke, dpa

17.02.2019 15:56

US-Sonderzölle auf deutsche Autos? Präsident Trump droht schon länger

damit. Erste Stufe ist die Einschätzung des US-Handelsministeriums
dazu, danach will Trump entscheiden. Von Kanzlerin Merkel kommt schon
vorauseilend heftige Kritik. Die Bundesregierung ist schockiert.

München/Washington (dpa) - Die Gefahr von US-Strafzöllen auf
europäische Autos wächst. Kanzlerin Angela Merkel kritisierte am
Samstag scharf, dass die US-Regierung offensichtlich europäische
Fahrzeuge als Bedrohung für die nationale Sicherheit der USA
einstufen will. Das gäbe Präsident Donald Trump die Möglichkeit, neue

Sonderzölle einzuführen. Besonders betroffen wären davon laut einer
Studie des Münchner ifo Instituts die deutschen Hersteller.

Bis zu diesem Sonntag sollte das US-Handelsministerium eine
Einschätzung dazu vorlegen, ob der Import von Autos und
Zulieferteilen die nationale Sicherheit des Landes beeinträchtigt.
Kommt das Ministerium offiziell zu diesem Schluss, könnte Trump
binnen 90 Tagen darüber befinden, ob er Sonderzölle erheben will.

Die Bundesregierung rechnet damit, dass die Behörde in der Tat die
Einfuhren als Gefahr einstuft. Der Bericht liege dem Weißen Haus
bereits vor, berichtete das «Handelsblatt». Wann genau die
Entscheidung des Ministeriums öffentlich wird, ist bislang unklar. An
diesem Montag ist in den USA ein Feiertag. Das Ministerium wollte
sich bislang nicht zu der Entscheidung äußern.

Die bevorstehende Entscheidung des US-Handelsministeriums sei für
Deutschland erschreckend, sagte Merkel am Samstag bei der Münchner
Sicherheitskonferenz. «Wir sind stolz auf unsere Autos. Das dürfen
wir ja auch.» Sie verstehe nicht, wie die Amerikaner deutsche Autos
als Gefahr für die nationale Sicherheit einstufen könnten.

«Diese Autos werden gebaut in den Vereinigten Staaten von Amerika»,
sagte Merkel. Im US-Bundesstaat South Carolina befinde sich das
größte BMW-Werk. «Nicht in Bayern, in South Carolina», betonte sie.

«Ich glaube, es wäre gut, wir kommen in gute Gespräche miteinander.
»
Die EU-Kommission schätzt den Wert europäischer Auto- und
Autoteilexporte in die USA auf mehr als 50 Milliarden Euro pro Jahr.

Zuletzt wurden Sonderzölle in Höhe von 25 Prozent ins Gespräch
gebracht. Hintergrund solcher Überlegungen Trumps ist, dadurch das
US-Handelsdefizit abzubauen und Jobs in den USA zu schaffen.

Doch ein solcher Schritt ist auch in den USA umstritten - und nicht
ohne Risiko. Experten warnen, höhere Zölle könnten die Verkaufszahlen

in den USA bremsen und damit letztlich auch Jobs gefährden. Die
US-Autoteile-Industrie mahnt, Sonderzölle seien eine zusätzliche
Belastung für amerikanische Firmen und auch für die Verbraucher.

Auch aus dem US-Kongress kommt Kritik. Der Vorsitzende des
Finanzausschusses im Senat, Trumps republikanischer Parteikollege
Chuck Grassley, klagte zuletzt, Sonderzölle auf Autos und Autoteile
würden Verbraucher enorm belasten, die sich ein Auto kauften - egal,
ob es in den USA produziert oder importiert sei. «Zölle sind keine
langfristige Lösung.» Sie könnten kurzfristig Schutz für die eigene

Wirtschaft bringen - aber auf Kosten von Verbrauchern und Industrien,
die zunehmend von komplexen globalen Lieferketten abhingen.

Das Ergebnis des Berichts aus dem US-Handelsministerium entscheidet
zunächst noch nichts. Trump ist trotz der Einschätzung frei darin,
welchen Weg er einschlagen will. Er hat sich zuletzt, etwa im
Handelskonflikt mit China, als «Mann der Zölle» inszeniert. Aber
sieht er die Drohung mit Autozöllen nur als Druckmittel, um die
Europäer zu Verhandlungen zu zwingen? Oder macht er wirklich ernst?
Bei der Entscheidung - über ein Thema, das viele Bürger trifft -
dürfte auch der nahende Präsidentschaftswahlkampf eine Rolle spielen.

Besondere Gefahr durch Sonderzölle droht den deutschen Autobauern.
Sollten die USA die Importzölle dauerhaft um 25 Prozent erhöhen,
könnten sich deutsche Autoexporte in die USA langfristig fast
halbieren, geht aus den Berechnungen des ifo Instituts hervor. Das
würde sich auch spürbar auf die Ausfuhren insgesamt auswirken: «Diese

Zölle würden die gesamten Auto-Exporte aus Deutschland um 7,7 Prozent
verringern, was einem Wert von 18,4 Milliarden Euro entspräche»,
sagte ifo-Experte Gabriel Felbermayr.

Der deutsche Branchenverband VDA zeigte sich besorgt und verwies auf
das Engagement der Hersteller in den USA. So habe allein die deutsche
Autobranche in den vergangenen Jahren mit rund 300 Fabriken mehr als
113 000 Arbeitsplätze in den USA geschaffen, die duale Ausbildung für
qualifizierte Arbeitskräfte eingeführt und sei der größte
Autoexporteur aus den USA. «Das alles stärkt die USA und ist kein
Sicherheitsproblem», mahnte der Verband der Automobilindustrie (VDA).
Porsche-Finanzchef Lutz Meschke sagte der «Stuttgarter Zeitung» und
den «Stuttgarter Nachrichten» (Montag): «Ich denke es ist klar, dass

wir keine Gefahr für die nationale Sicherheit der USA darstellen.»

Gäbe es keine Gegenreaktion anderer Länder, könnten die USA laut
ifo-Experte Felbermayr langfristig von Sonderzöllen klar profitieren.
«Porsche, Audi, BMW, Mercedes & Co. würden verstärkt in den USA
produzieren und so die Zölle umgehen.» Wer weiter in die USA
exportiere, müsse die Preise senken. Auch würden die USA Milliarden
an Zolleinnahmen kassieren. Das Problem ist nur: «Gegenzölle machen
das alles kaputt.» Und das könnte der Haken an Trumps Rechnung sein.

Die EU hat bereits angekündigt, dass sie auf neue US-Zölle mit
Vergeltungszöllen reagieren würde. Denkbar ist demnach, dass im
ersten Schritt Ausgleichszölle auf US-Waren im Wert von rund 20
Milliarden Euro verhängt würden.

Um den Streit um die bereits eingeführten US-Sonderzölle auf Stahl-
und Aluminiumprodukte zu entschärfen, hatten sich die USA und die EU
eigentlich auf den Start von neuen Freihandelsgesprächen verständigt.
Das Projekt kommt allerdings bislang nur äußerst schleppend voran.
Die im Juli zwischen Trump und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude
Juncker getroffene Vereinbarung sieht zur Schlichtung konkret vor,
dass beide Seiten Gespräche über die Abschaffung von Zöllen auf
Industriegüter sowie eine engere Zusammenarbeit bei Regulierungen zum
Beispiel für die Arzneimittelindustrie beginnen. Zugleich sollten
eigentlich vorerst keine neuen Sonderzölle verhängt werden.