4,7 Millionen Unterschriften zu EU-Urheberrechtsreform überreicht

18.02.2019 15:01

Das europaweite Urheberrecht ist seit Langem umstritten. Der jüngste
Kompromissvorschlag ist für viele YouTuber und Netzaktivisten kein
Schritt nach vorn. Sie protestieren im Justizministerium und kündigen
europaweite Demonstrationen an.

Berlin (dpa) - Der Kompromiss in Brüssel zum europaweiten
Urheberrecht provoziert den Protest zahlreicher Netzaktivisten.
Unterstützer der Kampagne zur «Rettung des Internets» haben
Justizministerin Katarina Barley (SPD) am Montag in Berlin eine
Petition überreicht. Sie kritisieren unter anderem sogenannte
Upload-Filter. Mit solcher Software können Plattformen wie YouTube
bereits beim Hochladen überprüfen, ob Bilder, Videos oder Musik
urheberrechtlich geschützt sind. Die Mit-Initiatoren der Kampagne
«Stoppt die Zensurmaschine - Rettet das Internet» Dominic Kis und
Pascal Fouquet übergaben Barley einen Stick mit den Angaben zufolge
mehr als 4,7 Millionen Unterschriften, darunter rund 1,3 Millionen
aus Deutschland.

Die Unterschriftensammlung, die auch von mehreren bekannten YouTubern
wie LeFloid unterstützt wird, war im Juni 2018 gestartet. Am Mittwoch
hatten Unterhändler der EU-Staaten und des Europaparlaments einen in
der Verlagsbranche ausdrücklich begrüßten Kompromiss bei der Reform
ausgehandelt, die bereits seit 2016 für Diskussionen sorgt. Zwei
Neuerungen in den Artikeln 11 und 13 sind besonders umstritten: So
sollen Suchmaschinen für das Anzeigen von Artikel-Ausschnitten etwa
auf den Google-News-Seiten künftig Geld an die Verlage zahlen. Und
Plattformen wie YouTube, aber auch kleinere Anbieter, müssen alles
ihnen Mögliche tun, um Urheberrechtsverletzungen zu verhindern. Diese
Vorgabe laufe auf einen breiten Einsatz von Upload-Filtern hinaus,
argumentieren Kritiker.

Dominic Kis erklärte, solche Filter könnten nicht verlässlich
unterscheiden, ob es sich um eine tatsächliche
Urheberrechtsverletzung oder zum Beispiel um einen satirischen
Beitrag oder eine Parodie handele. Entsprechend fordert die Kampagne:
«Stoppt Artikel 11 und 13!». Zuvor hatte auch die Bundesregierung
Uploadfilter ausdrücklich abgelehnt. Im Koalitionsvertrag von Union
und SPD hieß es noch, diese seien «unverhältnismäßig». Kis warn
te,
die aktuellen Pläne für das europäische Urheberrecht bedeuteten eine

erhebliche Einschränkung des Internets.

Nach Einschätzung von Rechtsexperten könnte dadurch zudem eine
stärkere Abhängigkeit von großen US-Konzernen entstehen. Denn nur
wenige Unternehmen hätten überhaupt die technischen und finanziellen
Möglichkeiten, um solche Filtersysteme selbst zu programmieren,
schätzt etwa Rechtsanwalt Christian Solmecke. Sie müssten eine
Version von den großen Anbietern kaufen.

Justizministerin Barley sagte, es gebe beim Urheberrecht eine
schwierige Gemengelage. Die Herausforderung sei, die Interessen der
Kreativen und der großen Plattformen übereinzubringen. «Sie werden
vielleicht mitbekommen haben, dass ich mich dafür eingesetzt habe,
dass wir den Artikel 13 nicht so lassen, wie er ursprünglich war. Wir
haben jetzt eine Fassung mit einer Klausel für kleinere und mittlere
Unternehmen, was schon mal ein großer Fortschritt ist», sagte sie.
Ausgenommen von Artikel 13 sollen nun Firmen sein, die jünger als
drei Jahre sind, einen Jahresumsatz von weniger als zehn Millionen
Euro und weniger als fünf Millionen Nutzer monatlich haben.

«Wenn Sie mich nach meiner persönlichen Auffassung fragen, ist auch
das noch nicht der optimale Zustand», sagte Barley. Eine Änderung
etwa von Artikel 13 sei aber nicht ihre alleinige Entscheidung,
sondern eine, die die Bundesregierung treffen müsse. «Insofern kann
ich da jetzt nicht für die ganze Bundesregierung sprechen.»

Der Kompromissvorschlag, auf den sich die Unterhändler der EU-Staaten
und des Europaparlaments geeinigt haben, muss formal noch vom Rat der
EU-Länder und vom Europaparlament gebilligt werden. Die Initiatoren
der Kampagne haben ihre Unterstützer zu europaweiten Demonstrationen
dagegen aufgerufen. Am Wochenende löschte die EU-Kommission ihren
Blogbeitrag auf der Plattform «Medium», in dem Kritiker der Pläne mit

einem manipulierten Mob verglichen wurden. Der Text sei falsch
verstanden worden, hieß es zur Begründung.