Scharfe Kritik von Kramp-Karrenbauer und Weber an Orban

21.02.2019 19:49

Immer wieder attackiert der ungarische Regierungschef Viktor Orban
die europäische Migrationspolitik. Langsam verliert nun auch die
Union die Geduld. Doch vor der Europawahl traut sich niemand, einen
Ausschluss aus der konservativen Parteienfamilie zu verlangen.

Berlin (dpa) - Unions-Spitzenpolitiker haben nach langer
Zurückhaltung ihren Ton gegenüber dem rechtsnationalen ungarischen
Regierungschef Viktor Orban verschärft. Nach dessen neuen Attacken
auf EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und die europäische
Migrationspolitik drohte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer am
Donnerstag mit einem Abbruch der regelmäßigen Gespräche mit der
Partei Fidesz von Orban. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte,
Juncker habe ihre volle Solidarität. Der EVP-Spitzenkandidat für die
Europawahl Ende Mai, Manfred Weber (CSU), warnte, Orban müsse
erkennen, dass er sich derzeit immer weiter von der EVP entferne.

Bislang pflegte gerade die CSU ein gutes Verhältnis zu Orban. Die
Unionsfraktion im Bundestag war schon am Donnerstag auf Distanz zu
Orban gegangen. Einen Ausschluss aus der EVP forderten aber weder
Kramp-Karrenbauer, noch Merkel oder Weber. CDU und CSU sind wie
Fidesz Mitglied der EVP.

Die ungarische Regierung hatte am Montag ein Plakat vorgestellt, auf
dem Juncker und der liberale US-Milliardär George Soros, der
ungarischer Herkunft ist, zu sehen sind. Es suggeriert, die beiden
wollten illegale Migration nach Ungarn fördern. In seiner jüngsten
Rede zur Lage der Nation sagte Orban mit Blick auf die Europawahl
Ende Mai: «Wir stoppen die migrationsfördernde Mehrheit.» Jene
Länder, die die Migration unterstützen, «erzeugen in Wirklichkeit
eine Mischbevölkerung».

Kramp-Karrenbauer sagte dem «Spiegel», man habe in der Europäischen
Volkspartei (EVP) in der Vergangenheit «zusammen mit unseren
Schwesterparteien daran gearbeitet, dass Europa als Ganzes
zusammenwächst». Dies bedeute auch die Fähigkeit, es über streitige

Sachfragen nicht zu einer erneuten Spaltung Europas kommen zu lassen.
Dieses Ziel sei «durch die jüngsten nicht nachvollziehbaren und
haltlosen Vorwürfe der Fidesz unter Viktor Orban in Gefahr geraten.
Sie schwächen und schaden darüber hinaus die EVP als Ganzes».

Die CDU werde den regelmäßigen Dialog mit Fidesz nutzen, um diese
Haltung deutlich zu machen, kündigte die Parteivorsitzende an.
«Sollte sich in diesem Rahmen allerdings kein gemeinsames Verständnis
für die Ziele der EVP mehr herstellen lassen, würde das Format keinen
Sinn machen und demzufolge beendet», sagte sie mit Blick auf die
Gespräche mit Fidesz. «Es liegt an der ungarischen Seite, belastbar
zu beweisen, dass sie sich der EVP noch zugehörig fühlt.»

Weber sagte der «Süddeutschen Zeitung» (Freitag), Teile von Orbans
Rede zur Lage der Nation und sowie die jüngste
Anti-Migrations-Kampagne gegen Juncker hätten «in der EVP großes
Unverständnis und Verärgerung» ausgelöst. Er halte «manche
Formulierungen für inakzeptabel», sagte Weber, der auch CSU-Vize ist
und Juncker im Herbst als Kommissionschef folgen möchte. Er rechne
damit, dass sich auch CDU und CSU damit befassen werden.

Die Führung der Unionsfraktion im Bundestag hatte den Verbleib von
Orbans Fidesz-Partei in der EVP in Frage gestellt. Die Attacke gegen
Juncker sei «politisch völlig inakzeptabel und eines
Ministerpräsidenten absolut unwürdig», sagte Fraktionsvize Johann
Wadephul (CDU) der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung». Sie
widerspreche allen Werten, für die christdemokratische Parteien in
der EVP stünden. Die Unionsfraktion erwarte «eine klare
Entschuldigung Orbans bei Kommissionspräsident Juncker».

Der Chef der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, Daniel Caspary (CDU),
sagte dem «Spiegel», was Orban derzeit mache, sei unerträglich. Der
innenpolitische Sprecher der CSU im Bundestag, Volker Ullrich, sagte,
die Kampagne gegen Juncker und Soros sei inakzeptabel. «Wir müssen
auch innerhalb der EVP-Fraktion deutlich machen, dass europäische
Werte wie Rechtsstaatlichkeit und Grundrechtsbindung für alle gelten,
auch für Viktor Orban.»