Deutschland gibt zusätzlichen Milliardenbetrag für Syrien-Opfer

14.03.2019 19:08

Muss sich Europa damit abfinden, dass Baschar al-Assad den
Bürgerkrieg in Syrien gewonnen hat? Diese Frage überschattet die
Geberkonferenz für die Leidtragenden des Konflikts in Brüssel. Der
deutsche Entwicklungsminister wirbt für einen Kurswechsel in der EU.

Brüssel (dpa) - Staaten aus der ganzen Welt haben den Opfern des
Syrien-Konflikts für 2019 Hilfen in Höhe von knapp sieben Milliarden
Dollar (6,2 Milliarden Euro) zugesichert. Deutschland versprach bei
der internationalen Syrien-Geberkonferenz am Donnerstag in Brüssel
1,44 Milliarden Euro für die Menschen in Syrien und Flüchtlinge in
benachbarten Ländern. Teile davon sollen aber erst in den kommenden
Jahren ausgegeben werden.

Entwicklungsminister Gerd Müller (CDU) bezeichnete den deutschen
Beitrag als «starkes Zeichen der Solidarität». Mit der neuen
Ankündigung erhöhen sich die deutschen Hilfszusagen seit Kriegsbeginn
auf 8,6 Milliarden Euro. Der Aufstand gegen Präsident Baschar
al-Assad jährt sich an diesem Freitag genau zum achten Mal.

Müller rief zugleich dazu auf, den Kontakt mit Assad zu suchen, um
angesichts der zuletzt reduzierten Gewalt im Land eine sichere
Rückkehr geflüchteter Menschen zu ermöglichen - auch solcher aus
Deutschland. «Millionen von Flüchtlingen wollen zurück auch nach
Syrien», sagte er. «Dazu muss die internationale Gemeinschaft mit
Assad ein Übereinkommen finden, Sicherheit für Rückkehrer zu
schaffen.»

Müller forderte damit indirekt dazu auf, die bisherige EU-Linie zu
überdenken. Diese schließt direkte Gespräche mit der von Russland und

dem Iran unterstützten Assad-Regierung aus, der schwerste
Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen vorgeworfen werden.
Müller machte nun klar, dass man seiner Meinung nach die Frage der
Gestaltung der Nachkriegsordnung nicht Ländern wie Russland, dem Iran
und der Türkei überlassen sollte. «Die Europäische Union muss sich
in
den Prozess einbringen», sagte er.

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) sagte, Deutschland verbinde mit
seinem Hilfsengagement auch die Forderung, dass die humanitären
Prinzipien beachtet werden. «Alle Konfliktparteien müssen
uneingeschränkten humanitären Zugang zu allen Teilen der Bevölkerung

sicherstellen und die Regeln des humanitären Völkerrechts einhalten»,

sagte er. Die Vertriebenen müssten vor Verfolgung geschützt und ihre
Grund- und Eigentumsrechte gewahrt werden.

Mit dem bei der Brüsseler Konferenz gesammelten Geld sollen zum
Beispiel Nahrungsmittel, medizinische Hilfen und Schulbildung
finanziert werden. Nach Zahlen der Vereinten Nationen sind allein in
Syrien noch immer 11,7 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe
angewiesen. Zudem benötigen Millionen Flüchtlinge in Ländern wie der

Türkei, dem Libanon und Jordanien Unterstützung. Viele leben seit
Jahren in Camps.

In dem von außen befeuerten Bürgerkrieg in Syrien gab es nach
Schätzungen bereits mehr als 400 000 Tote. Alle Versuche, einen
politischen Übergang auf den Weg zu bringen, scheiterten bisher.
Assads Regierung kontrolliert mittlerweile wieder mehr als zwei
Drittel des Landes.

Die Vereinten Nationen bezifferten den Hilfsbedarf 2019 zuletzt auf
8,8 Milliarden Dollar (7,8 Milliarden Euro). Davon wären 3,3
Milliarden Dollar (2,9 Milliarden Euro) für die Menschen in Syrien
und 5,5 Milliarden Dollar (4,9 Milliarden Euro) für Flüchtlinge in
den Nachbarländern notwendig, sagte UN-Nothilfekoordinator Mark
Lowcock in Brüssel. Dieser Betrag wurde mit den Zusicherungen noch
nicht erreicht.

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini betonte bei der Konferenz,
dass die EU-Gelder nur in humanitäre Hilfe und nicht in den
Wiederaufbau Syriens fließen sollten. Mittel dafür werde es nur dann
geben, wenn es unter Aufsicht der Vereinten Nationen einen
politischen Prozess gebe, sagte sie. Aus den EU-Staaten und dem
EU-Haushalt sollen 2019 und in den Folgejahren nach Angaben des
zuständigen EU-Kommissars Christos Stylianides rund 6,75 Milliarden
Euro fließen.

Zu der Brüsseler Syrien-Konferenz waren Vertreter von rund 80 Staaten
und Organisationen gereist. Die EU und die Vereinten Nationen hofften
als Organisatoren des Treffens auf Hilfszusagen von mindestens 4,3
Milliarden US-Dollar (3,8 Mrd Euro). So viel Geld war bei der
Konferenz im vergangenen Jahr zugesagt worden. Die tatsächlichen
Zahlungen lagen dann sogar bei rund 6 Milliarden US-Dollar.

Das UN-Kinderhilfswerk Unicef wies auf die weiter dramatischen Folgen
des Krieges für Kinder hin. «2018 war das schlimmste Jahr für
Kinder», sagte Unicef-Vertreter Geert Cappelaere. Jeden Tag seien im
vergangenen Jahr mindestens drei Kinder getötet worden. «Und das
passiert alles, während erzählt wird, dass der Krieg in Syrien fast
vorbei ist. Der Krieg gegen Kinder in Syrien ist alles andere als
vorbei», sagte er.