Orban will weiter den «Niedergang Europas» aufhalten

15.03.2019 17:18

Er wettert gegen das «liberale europäische Imperium», doch beim Namen

nennt Orban die «Imperialisten» nicht. Kommentatoren empfinden seine
diesjährige Rede zum Nationalfeiertag als relativ zurückhaltend.
Liegt das am drohenden Ausschluss aus der Parteienfamilie der EVP?

Budapest (dpa) - Wenige Tage vor dem möglichen Ausschluss seiner
Fidezs-Partei aus der Europäischen Volkspartei (EVP) hat der
ungarische Ministerpräsident Viktor Orban seine EU-skeptische Haltung
bekräftigt. «Wir wollen starke Nationalstaaten, und wir wollen starke
Führer an der Spitze Europas sehen», erklärte er in einer Rede zum
Nationalfeiertag am Freitag. «Wir werden den Niedergang Europas
aufhalten, damit Europa wieder den Europäern gehört», fügte er hinz
u.

Vor Tausenden Anhängern im Zentrum von Budapest vermied er es aber,
die Europäische Union (EU) offen anzugreifen oder von ihm nicht
geschätzte europäische Politiker beim Namen zu nennen. «Nehmen Sie

zur Kenntnis: In einem liberalen europäischen Imperium verlieren wir
alle unsere Freiheit», rief er eher allgemein in die Menge. 

Zuletzt hat eine Anti-Brüssel-Plakatkampagne der Orban-Regierung für
Unmut in der EVP gesorgt. Diese diffamiert den aus der EVP kommenden
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und den liberalen US-Investor
George Soros mit falschen Behauptungen über die Migration. Auch den
Namen von Soros erwähnte Orban am Freitag nicht.

Den aus Ungarn stammenden Holocaust-Überlebenden hat Orban wegen
dessen Unterstützung von regierungskritischen Vereinen zu einem
Staatsfeind hochstilisiert, der Europa mit muslimischen Migranten
überfluten wolle. Die von Soros gegründete Central European
University (CEU) ist durch Gesetze der Orban-Regierung gezwungen,
ihren Betrieb schrittweise von Budapest nach Wien zu verlegen. Das
Schicksal der CEU ist einer der ungelösten Streitpunkte im Konflikt
zwischen Orban und der EVP.

Zu dem EVP-Verband europäischer konservativer Parteien gehören auch
CDU und CSU. 13 Mitgliedsparteien fordern derzeit den Ausschluss der
Fidesz-Partei. Der EVP-Vorstand will darüber am kommenden Mittwoch in
Brüssel entscheiden.

Beobachter in Budapest empfanden Orbans Rede zum 15. März als
vergleichsweise zurückhaltend. In früheren Reden zu diesem Feiertag
hatte er etwa «Brüssel» - das heißt die EU - als «zweites Moskau
»
bezeichnet, das heißt mit der totalitären ehemaligen Sowjetunion
gleichgesetzt. «Vor dem Ausschlussverfahren in der EVP wollte der
Ministerpräsident sichtlich kein Öl ins Feuer gießen», schrieben
Kommentatoren des Nachrichtenportals «atv.hu».

Am 15. März gedenkt Ungarn des Ausbruchs der Revolte gegen die
Habsburger von 1848/49. Außer Orban sprach bei der Feier am Freitag
auch dessen polnischer Amtskollege Mateusz Morawiecki. Die seit mehr
als 1000 Jahren in Freundschaft verbundenen Nationen der Ungarn und
der Polen würden «für ein besseres Europa kämpfen», sagte er.

Ungarn und Polen unterstützen sich gegenseitig, um die gegen beide
Länder wegen des Abbaus der Demokratie auf den Weg gebrachten
Rechtsstaatsverfahren in der EU unwirksam zu machen. Die polnische
Regierungspartei PiS (Recht und Gerechtigkeit) gehört im
Europaparlament nicht der EVP-Fraktion an, sondern der EU-skeptischen
EKR-Fraktion.

Vor einer Woche hatte Orban in einem Rundfunk-Interview angekündigt,
dass der rechts-nationale Fidesz im Falle eines Ausscheidens aus der
EVP eine Allianz mit der PiS eingehen werde.

Die konservative litauische Partei Vaterlandsunion sieht die Probleme
in der EVP mit Ungarns Regierungschef Viktor Orban nach dessen
Entschuldigung noch nicht als gelöst. «Meiner Meinung nach muss die
Europäische Volkspartei eine Entscheidung über Ungarn treffen, weil
das anhaltende Abfinden mit Populisten innerhalb der Partei auch
andere Parteien der Familie berührt», sagte Partei-Chef Gabrielius
Landsbergis der Agentur BNS am Freitag in Vilnius. Er plädiere weiter
für den Ausschluss oder die zeitweise Suspendierung von Fidesz. Diese
Position plane er auch beim Treffen der EVP-Gruppe in der kommenden
Woche zu vertreten, sagte Landsbergis.