Seehofer nimmt «Demokraten» Orban gegen Kritik in Schutz

20.04.2019 04:29

Berlin (dpa) - Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat Ungarns
rechts-nationalistischen Ministerpräsidenten Viktor Orban gegen
Kritik an dessen autoritärem Regierungsstil verteidigt. «Ich bin
nicht bereit, Orban als Demokraten infrage zu stellen», sagte er der
«Neuen Zürcher Zeitung» (Samstag). Orban bezeichnet sich selbst als
Vertreter einer «illiberalen Demokratie», was etwa Bundespräsident
Frank-Walter Steinmeier als «Widerspruch in sich» kritisiert hat.
«Dass er in manchen Punkten, etwa bei seiner Kampagne gegen die EU,
überzogen hat, ist klar», sagte Seehofer über Orban. «Das passiert

uns Politikern hier in Deutschland doch auch ab und zu. Wir tun immer
so, als würden wir vollkommen fehlerfrei durch die Welt wandeln.»

Hintergrund ist eine vor der Europawahl initiierte Plakatkampagne der
Orban-Regierung gegen EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker mit
Verunglimpfungen und Falschbehauptungen zur EU-Migrationspolitik.
Nach Darstellung Orbans geht es bei der «Schicksalswahl» um die
«Zukunft der europäischen Zivilisation»: Diese sei durch die
«Masseninvasion» von Muslimen und angeblich migrationsfördernde
Politik der «Brüsseler Eliten» in ihrer Existenz bedroht.

In Ungarn verfolgt Orban - einst Mitgestalter der demokratischen
Wende in seinem Heimatland - eine Politik der strikten Abschottung
gegenüber Flüchtlingen und anderen Migranten. Auch die Einschränkung

der Meinungsfreiheit, Probleme mit der Unabhängigkeit der Justiz und
das Vorgehen gegen Nichtregierungsorganisationen werden in Brüssel
mit Argusaugen verfolgt. Europas Rechtspopulisten schätzen Orban
indes wegen seiner fremdenfeindlichen Politik, nationalistischen
Rhetorik und seiner Nähe zu Kreml-Chef Wladimir Putin. Vertreter der
AfD betrachten ihn mehr oder weniger unverhohlen als Vorbild.

Orbans Fidesz-Partei gehört zwar wie CSU und CDU zur konservativen
Parteienfamilie der Europäischen Volkspartei (EVP). Doch die
Europäische Union hat wegen der Gefährdung von EU-Grundwerten ein
Strafverfahren gegen Ungarn ausgelöst - und mit dieser Begründung hat
auch die EVP Orbans Partei bis auf Weiteres aus ihren Reihen
suspendiert.