USA drohen EU wegen Plänen für Verteidigungsunion

14.05.2019 19:01

Die USA fordern von Europa seit Jahren ein stärkeres Engagement in
Verteidigungsfragen. Doch jetzt, wo sich Fortschritte abzeichnen,
werden auf einmal Drohbriefe geschrieben. Die EU-Chefdiplomatin
schießt verbal zurück.

Brüssel (dpa) - Die USA verlangen von den EU-Staaten die
Überarbeitung von Plänen zum Aufbau einer europäischen
Verteidigungsunion und drohen für den Fall einer Weigerung
Konsequenzen an. In einem Brief an die EU-Außenbeauftragte Federica
Mogherini beschweren sich Vertreter des amerikanischen Außen- und
Verteidigungsministeriums darüber, dass derzeit erwogene Regelungen
eine Beteiligung von US-Unternehmen an Rüstungsprojekten erheblich
erschweren oder sogar ausschließen könnten.

Dies verstoße gegen die Selbstverpflichtung der EU, bei
Verteidigungsinitiativen in größtmöglichen Maße eine Beteiligung vo
n
Nato-Verbündeten sicherzustellen, heißt es in dem Schreiben, das der
Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Dem Brief zufolge könnten die USA die eigenen Regeln zum Zugang von
europäischen Unternehmen zum US-Rüstungsmarkt verschärfen, falls die

EU-Pläne nicht geändert werden. Dies würde von den europäischen
Partnern und Verbündeten sicher nicht begrüßt werden, heißt es
drohend in dem Schreiben. Zudem könne auch die bislang «konstruktive
Beziehung zwischen der Nato und der EU» Schaden nehmen.

EU-Chefdiplomatin Mogherini wies die US-Kritik am Dienstagabend
vehement zurück. «Die Europäische Union ist für US-Unternehmen offe
n
und wird es auch bleiben», sagte die Italienerin nach Beratungen der
EU-Verteidigungsminister in Brüssel. Sie sehe keinen Grund zur
Besorgnis.

Zudem betonte Mogherini, dass der europäische Beschaffungsmarkt
derzeit für US-Unternehmen deutlich offener sei als der amerikanische
für EU-Unternehmen. In der EU gebe es beispielsweise nicht so etwas
wie den «Buy American Act», der die Regierung der Vereinigten Staaten
verpflichtet, bei Beschaffungsprojekten in den USA hergestellte
Produkte zu bevorzugen.

Konkret geht es in dem Brief um Vorschriften, die die Teilnahme von
Drittstaaten an Projekten des geplanten Verteidigungsfonds EDF und
der vor rund einem Jahr gestarteten Militärkooperation Pesco regeln
sollen. Sie werden derzeit zwischen den beteiligten EU-Staaten
verhandelt (Pesco) oder sind sogar schon abgestimmt (EDF).

Europäische Regierungsbeamte machten am Dienstag deutlich, dass an
den Teilnahmeregeln für Verteidigungsfonds-Projekte nichts mehr
geändert werden könne. Nachbesserungsmöglichkeiten werden demnach
lediglich bei den Vorschriften für Pesco-Projekte gesehen.

Vor allem Frankreich besteht aber bislang darauf, dass Drittstaaten
nur unter sehr strengen Auflagen und Bedingungen an neuen
Militärprojekten der EU-Staaten beteiligt werden können.

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) wollte sich
in Brüssel nicht öffentlich zu dem Streit äußern. «Spiegel Online
»
hatte sie zuvor gesagt: «Wir Europäer tun das, was unsere
amerikanischen Freunde viele Jahre von uns gefordert haben.» Aufgabe
sei es nun, «um Vertrauen zu werben, dass die Nato von den
Anstrengungen zur Verteidigungsunion profitiert».

Von der Leyen spielte damit darauf an, dass die USA von den Europäern
seit Jahren ein stärkeres Engagement im Verteidigungsbereich
verlangen, nun aber offensichtlich fürchten, dass zu viel europäische
Unabhängigkeit den Interessen der amerikanischen Rüstungsindustrie
schaden könnte.

Die gilt offensichtlich vor allem für die Pläne zum Aufbau eines
milliardenschweren Rüstungsfonds, der die Leistungs- und
Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Verteidigungsindustrie steigern
soll. Bislang verdienen US-Unternehmen prächtig durch Aufträge aus
EU-Staaten - zum Beispiel der Kampfflugzeughersteller Lockheed
Martin.

Wirklich neu sind die US-Forderungen für die Europäer unterdessen
nicht. Washington hatte bereits Anfang 2018 von der EU eine
schriftliche Garantie verlangt, dass sie keine Doppelstrukturen im
Bereich der Verteidigung aufbaut. Es müsse in EU-Dokumenten
festgelegt werden, dass die gemeinsame Verteidigung «ausschließlich
eine Nato-Aufgabe» sei, sagte der damalige US-Verteidigungsminister
James Mattis bei einem Bündnistreffen.

Mattis brachte damit öffentlich seine Besorgnis über die Pläne der EU

zum Ausdruck, eine europäische Verteidigungsunion aufzubauen. Das
Projekt war im Dezember 2017 mit dem Beschluss für die Pesco ins
Leben gerufen worden und wird seit 2018 mit konkreten Projekten wie
der Entwicklung von Drohnen mit Leben gefüllt. Ziel ist es, die EU
flexibler und unabhängiger von den USA zu machen - zum Beispiel mit
Blick auf mögliche Friedensmissionen in Afrika.

Hintergrund sind allerdings auch die Entwicklungen nach der Wahl von
Donald Trump zum US-Präsidenten. Dessen Politik steigert nach Ansicht
vieler EU-Staaten die Notwendigkeit, sich unabhängiger von den USA zu
machen.