Steinmeier: Europa kann junge Leute nur mit Zukunftspolitik gewinnen

14.05.2019 16:41

Berlin (dpa) - Allein mit dem Verweis auf ihre vergangenen Erfolge
wird die EU nach Ansicht von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
gerade junge Menschen nicht von sich überzeugen. «Wer die Jungen für

Europa gewinnen will, muss sie in der Gegenwart mit einer Politik für
die Zukunft überzeugen», sagte Steinmeier am Dienstag in Berlin bei
einer Diskussionsrunde aus der Reihe «Forum Bellevue».

Es sei zwar richtig, aber eben nicht genug, zu betonen, dass kein
Land mehr allein die großen Zukunftsaufgaben bewältigen könne.
«Hinzutreten muss der konkrete Beweis, dass wir es zusammen in Europa
sehr wohl können - in der Klimapolitik, in der Digitalisierung, in
der Globalisierung», sagte Steinmeier laut Redetext. «Gemeinsame
strategische Ansätze gegenüber China, gemeinsame Antworten auf die
Machtkonzentration der Internetgiganten - all das muss eine
europäische Politik leisten, die Mut zur Zukunft machen will.»

Der Bundespräsident warnte Deutschland vor einer Fehleinschätzung
seiner eigenen Rolle in der EU, die fatale Folgen haben könnte. «Wir
Deutschen halten uns gern für die besten Europäer. Wir bescheinigen
uns besondere Großzügigkeit gegenüber unseren Partnern und besondere

Rücksichtnahme auf ihre Interessen.» Die Deutschen glaubten auch
gern, dass sie die Lektionen der europäischen Geschichte selbst am
gründlichsten gelernt hätten. «Aber mit den Augen der Anderen
betrachtet sehen wir oft ganz anders aus.»

In vielen Fragen gingen die Eigen- und Fremdwahrnehmung auseinander,
sagte Steinmeier. «Deutschland glaubt oft, hilfsbereit und
solidarisch zu handeln, während andere uns vorwerfen, nur nationale
Interessen zu verfolgen. Und neigen wir nicht häufig dazu, den
Beitrag anderer zu übersehen - etwa bei der Aufnahme von
Flüchtlingen? Das Risiko ist real, dass Deutschland sich in Europa
isoliert - wenn auch mit vermeintlich besten Absichten.» Das sei in
den vergangenen Jahren unübersehbar deutlich geworden.