Das Duell der Spitzenkandidaten - Wer bei der Europawahl wofür steht Von Michel Winde und Ansgar Haase, dpa

15.05.2019 15:10

Kennen Sie die Spitzenkandidaten für die Europawahl? Oder wissen Sie
noch nicht, wen sie wählen wollen? An diesem Donnerstagabend läuft
das letzte große Duell im deutschen Fernsehen. Manfred Weber hat
zumindest Heimvorteil.

Brüssel (dpa) - In wenigen Tagen wird gewählt: Vom 23. bis zum 26.
Mai können mehr als 400 Millionen Europäer ihre Stimme für ein neues

Europaparlament abgeben. Der CSU-Politiker Manfred Weber und der
niederländische Sozialdemokrat Frans Timmermans gehen als
Spitzenkandidaten ihrer europäischen Parteienfamilie ins Rennen. An
diesem Donnerstag (20.15 Uhr) liefern sie sich im ZDF ihr zweites und
letztes TV-Duell im deutschen Fernsehen. Wofür stehen die beiden, die
sich Chancen auf die Nachfolge von EU-Kommissionschef Jean-Claude
Juncker ausrechnen?

Die Kandidaten

Weber: Der CSU-Politiker Manfred Weber sitzt seit 2004 im
Europaparlament. Seit 2014 führt er die Fraktion der konservativen
Europäischen Volkspartei mit mehr als 200 Abgeordneten aus der ganzen
EU. Der 46-Jährige ist kein Freund offener Konfrontation, sondern
kämpft lieber im Hintergrund für seine Ziele. Im Wahlkampf tourt der
Niederbayer allerdings unermüdlich durch Europa und präsentiert sich
als heimatverbundener Europäer, der die EU wieder näher an ihre
Bürger bringen möchte.

Timmermans: Der Niederländer ist seit 2014 Stellvertreter von
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Zuständig für Fragen des

Rechtsstaats, legte sich der 58-Jährige in den vergangenen Jahren mit
den Regierungen in Polen, Ungarn und Rumänien an. Aus diesen Ländern
schlägt ihm teils offene Feindseligkeit entgegen. Der Diplomatensohn
und frühere Außenminister spricht sieben Sprachen und hofft auf eine
Mehrheit mit Grünen, Liberalen und Linken im Parlament.

Umwelt- und Klimaschutz

Weber: Der Christdemokrat will sich für ein weltweites Verbot von
Einwegplastik sowie für eine Steuer auf Flugzeugtreibstoff einsetzen.
Eine verpflichtende Abgabe auf den Ausstoß von klimaschädlichen
Kohlendioxid (CO2) lehnt er allerdings ab.

Timmermans: Der Sozialdemokrat hält im Gegensatz zu Weber eine
C02-Steuer für den Klimaschutz für unerlässlich. Eine Kerosinabgabe
befürwortet er ebenso.

Arbeit, Soziales & Unternehmen

Timmermans: Um die Ungleichheit zwischen armen und reichen Ländern zu
verringern, fordert Timmermans die Einführung eines EU-weiten
Mindestlohns. Dieser soll in jedem Mitgliedsland etwa 60 Prozent des
jeweiligen nationalen mittleren Einkommens entsprechen. Zudem spricht
er sich dafür aus, die Position von Gewerkschaften zu verbessern,
damit sie für die Beschäftigten bessere Löhne und Gehälter aushande
ln
können. Auch für eine europäische Arbeitslosenversicherung will er
sich einsetzen.

Weber: Der Deutsche lehnt die Forderung nach einer gemeinsamen
Arbeitslosenversicherung und nach einem EU-weiten Mindestlohn ab.
Stattdessen will er lieber dafür sorgen, die Position von Unternehmen
zu stärken, damit diese Arbeitsplätze sichern oder schaffen können.
In Ausnahmefällen will er zum Beispiel Zusammenschlüsse von
europäischen Unternehmen trotz wettbewerbsrechtlicher Bedenken
befürworten - wenn diese denn die Position der EU auf dem Weltmarkt
stärken können.

Migration & Afrika

Weber: Immer wieder betont Weber, dass nicht Schlepper und
Menschenhändler darüber entscheiden dürfen, welche Migranten es bis
nach Europa schaffen. Deshalb hat er den Außengrenzschutz zu einem
zentralen Anliegen seines Wahlkampfes gemacht. Er will die EU-Staaten
dazu bewegen schon bis 2022 rund 10 000 Grenzschützer
bereitzustellen. Derzeitige Pläne sehen 2027 vor. Das Verhältnis
zwischen der EU und Afrika möchte Weber deutlich ausbauen. Dabei
setzt er auf Handelsverträge und besondere Partnerschaften mit
den Ländern.

Timmermans: Ein besseres Verhältnis zwischen Europa und Afrika ist
auch für Timmermans eine der großen außenpolitischen Aufgaben der
kommenden Jahre. Er betont, dass die Migrationsfrage eng damit
verbunden ist. Die EU werde ihre Probleme jedoch nicht durch einzelne
Abkommen lösen, in denen man afrikanische Staaten gegen Geld zur
Rücknahme von Migranten verpflichtet. Auch Timmermans will sich für
schnelle Fortschritte beim Schutz der Außengrenzen einsetzen.

Wahlrecht

Timmermans: Der Niederländer fordert die Senkung des Wahlalters auf
16 Jahre. In dem Alter wüssten Jugendliche schon, was sie wollten,
sagte Timmermans jüngst und verwies als Beispiel auf die 16-jährige
Klimaaktivistin Greta Thunberg.

Weber: Diskutieren müsse man die Herabsetzung des Wahlalters bei der
Europawahl, sagt Weber. Allerdings will er sich nicht darauf
festlegen, dass künftig schon 16-Jährige an Wahlen teilnehmen dürfen

sollten. Zudem verweist er darauf, dass die Festlegung des Wahlalters
eine Angelegenheit der EU-Staaten sei.