EU stellt sich hinter Demonstranten in Hongkong - Streit mit Peking

13.06.2019 15:42

Nach den Ausschreitungen in Hongkong ist das umstrittene Gesetz für
Auslieferungen an China nur aufgeschoben, aber nicht aufgehoben. Die
EU und Deutschland übermitteln ihre Bedenken - und Peking ist
verärgert.

Hongkong (dpa) - Die Gegner des umstrittenen Gesetzes für
Auslieferungen von Hongkong an China haben Unterstützung durch die
Europäische Union bekommen. Während die Demonstranten zu neuen
Protesten am Sonntag und Montag aufriefen, äußerte ein EU-Sprecher am
Donnerstag die europäische Besorgnis über das Gesetz. «Es ist eine
heikle Sache, die potenziell weitreichende Konsequenzen für Hongkong
und sein Volk, für die EU und seine Bürger wie auch für die
Zuversicht von Geschäftsleuten in Hongkong hat.»

China reagierte empört. Ein Außenamtssprecher in Peking warf der EU
«unverantwortliche und irregeleitete Bemerkungen» vor. Sie solle
aufhören, sich in Hongkongs und die «inneren Angelegenheiten Chinas»

einzumischen. Wie es in Berlin aus dem Auswärtigen Amt hieß, hatte
die Leiterin des EU-Büros in Hongkong, Carmen Cano, der Hongkonger
Regierungschefin Carrie Lam schon vor drei Wochen die Bedenken der EU
übermittelt, denen sich auch Deutschland angeschlossen hatte.

Bei den schwersten Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten
seit fünf Jahren in Hongkong waren am Vortag 79 Demonstranten
verletzt worden. Die Polizei sprach von 22 verletzten Beamten. Elf
Demonstranten seien festgenommen worden. Die Sicherheitskräfte hatten
am Mittwoch Tränengas, Schlagstöcke, Wasserwerfer und Pfefferspray
eingesetzt, um die Demonstranten zu vertreiben.

Tausende hatten den Legislativrat, den Regierungskomplex und
umliegende Straßen blockiert, um gegen das Gesetz zu protestieren.
Die Beratungen über den Entwurf mussten vorerst vertagt werden. Der
Legislativrat kam auch am Donnerstag nicht zusammen, nachdem die
Debatte bereits am Vortag wegen der Proteste nicht hatte stattfinden
können.

Das Gesetz würde Hongkongs Behörden erlauben, von China verdächtigte

Personen an die kommunistische Volksrepublik auszuliefern. Kritiker
warnen, Chinas Justiz sei nicht unabhängig und folge der
Staatssicherheit sowie der kommunistischen Führung. Sie diene als
Werkzeug für politische Verfolgung. Inhaftierten drohten Folter und
Misshandlungen. Es gebe eine Verurteilungsrate von 99 Prozent.

Trotz des massiven Widerstands unter den sieben Millionen Hongkongern
will Hongkongs Regierungschefin an dem Gesetz festhalten. Es soll von
der Peking-treuen Mehrheit im Legislativrat abgesegnet werden. Ob die
letzte Abstimmung wie bisher geplant am Donnerstag nächster Woche in
dritter Lesung stattfinden kann, muss sich zeigen. Dafür müsste erst
die verschobene zweite Lesung nachgeholt werden.

Die frühere britische Kronkolonie wird seit der Rückgabe 1997 an
China nach dem Grundsatz «ein Land, zwei Systeme» als eigenes
Territorium autonom regiert. Die Einwohner der heutigen chinesischen
Sonderverwaltungsregion genießen das Recht auf freie Meinungsäußerung

sowie Presse- und Versammlungsfreiheit - anders als die Menschen in
der Volksrepublik.

Die Demonstrationen am Vortag erinnerten an die Demokratiebewegung
2014, die Teile der asiatischen Wirtschafts- und Finanzmetropole
wochenlang lahmgelegt hatte. Als Reaktion zieht die Führung in Peking
die Zügel seither an. Seit damals hat Hongkong nicht mehr solche
Zusammenstöße gesehen. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights
Watch warf der Polizei «exzessive Gewalt» vor.

Am Sonntag hatten - nach unterschiedlichen Schätzungen - sogar
zwischen Hunderttausenden und einer Million Menschen gegen das Gesetz
demonstriert. Die friedliche Kundgebung war nach Angaben von
Beobachtern die größte seit dem Protest vor drei Jahrzehnten gegen
die blutige Niederschlagung der Demokratiebewegung in Peking am 4.
Juni 1989. Im Anschluss war es aber auch zu Ausschreitungen gekommen.