Von Macrons Vision zur Minimallösung - Eurozonenbudget nimmt Form an Von Alkimos Sartoros und Arne Bänsch, dpa

14.06.2019 13:17

Mit großem Pinsel hatte Frankreichs Präsident Macron einst in seiner
Sorbonne-Rede die Idee eines Eurozonenbudgets gezeichnet. In den
vergangenen knapp zwei Jahren traf er auf erheblichen Widerstand. Nun
steht eine Lösung - mit etlichen offenen Fragen.

Luxemburg (dpa) - Nach einer gut 15-stündigen Marathonsitzung in der
Nacht haben sich die Euro-Finanzminister zu einem Minimalkompromiss
beim umstrittenen Eurozonenbudget durchgerungen. «Wir haben eine
Reihe kleiner Schritte unternommen, mehr Arbeit ist aber nötig»,
sagte Eurogruppenchef Mario Centeno am Freitagmorgen in Luxemburg.
Strittig ist vor allem noch, wie das geplante Budget finanziert
werden soll. Auch die genaue Summe ist noch offen. Frankreichs
Finanzminister Bruno Le Maire sprach trotzdem von einem «Durchbruch»,
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) von «Fortschritt in ganz
wichtigen Fragen».

Das Eurozonenbudget gehörte ursprünglich zu den Europa-Visionen des
französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Ihm schwebte 2017 ein
Multi-Milliarden-Haushalt ausschließlich für die Euro-Staaten vor. Er
verstand das Budget als Symbol eines großen Aufbruchs für die EU. Das
gemeinsame Währungsgebiet sollte dadurch zudem besser vor künftigen
Finanzkrisen geschützt werden.

Die Griechenlandkrise ab 2010, in der das hoch verschuldete und
wirtschaftlich schwächelnde Land kurz vor der Staatspleite stand,
hatte den Euro-Staaten unter anderem gezeigt, dass gerade die enormen
wirtschaftlichen Unterschiede zu Turbulenzen führen können, die auch
andere Länder treffen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) signalisierte Macron im
vergangenen Jahr im brandenburgischen Meseberg grundsätzliche
Unterstützung für das Vorhaben. In der Folge arbeiteten Deutschland
und Frankreich einen gemeinsamen Plan aus.

Die EU-Staats- und Regierungschefs verständigten sich im Dezember
2018 grundsätzlich auf die Einführung eines Budgets für die 19
Euro-Staaten und gaben den Finanzministern den Auftrag, Details
auszuarbeiten. Dieses sollte vor allem zur Stärkung der
Wettbewerbsfähigkeit und der Angleichung der wirtschaftlichen
Verhältnisse dienen.

Festgeschrieben ist nun unter anderem, dass das Budget für
Euro-Staaten vorgesehen ist sowie für Länder, die der
Gemeinschaftswährung absehbar beitreten wollen. Bei der Verwendung
der Gelder soll jeweils eine nationale Co-Finanzierung greifen, diese
könnte je nach Umständen variieren.

Die Diskussionen über die Finanzierung des Budgets würden zu einem
späteren Zeitpunkt fortgesetzt, schrieb der niederländische
Finanzminister Wopke Hoekstra im Kurznachrichtendienst Twitter.
Scholz erklärte, weitere Arbeit sei im Rahmen der Verhandlungen über
den Haushaltsrahmen der EU von 2021 bis 2027 nötig. Dabei soll nun
auch die Größe des Budgets endgültig festgelegt werden. In der
Diskussion standen zuletzt 17 Milliarden Euro verteilt auf sieben
Jahre.

Der Auftrag der Staats- und Regierungschefs vom Dezember 2018 sei
teilweise nicht erfüllt worden, hieß es nun aus EU-Kreisen. «Den
ursprünglichen Vorschlag Macrons eines schlagkräftigen Haushalts
haben die Finanzminister zur Unkenntlichkeit verwässert», kritisierte
der Grünen-Europaparlamentarier Sven Giegold. Der EU-Gipfel wird sich
in der kommenden Woche voraussichtlich erneut dem Thema widmen.

Frankreichs Finanzminister Le Maire zeigte sich hingegen zufrieden.
«Das Budget wird 2021 einsatzbereit sein», sagte er. «Zum ersten Mal

beginnen wir, als ein kohärenter Block über die Zukunft nachzudenken
und unsere Wirtschaftspolitik zu koordinieren.» Er schränkte
allerdings ein: «Es ist aber noch ein weiter Weg, vor allem in der
Frage, wie wir das neue Budget finanzieren.»

Nach Jahren des Wachstums hatten sich die Wirtschaftsaussichten für
Europa zuletzt deutlich eingetrübt. Gründe sind unter anderem die
Zunahme der Handelsspannungen zwischen den USA und China sowie die
Gefahr eines ungeordneten EU-Austritts Großbritanniens. Experten sind
sich einig, dass die Eurozone gegen künftige Finanzschocks besser
geschützt werden müsste.

Die Finanzminister verständigten sich nun zudem darauf, den
Euro-Rettungsschirm ESM zu stärken, der bislang vor allem Kredite an
pleitebedrohte Staaten gegen Spar- und Reformauflagen vergeben kann.
Allein an Griechenland vergab er dreistellige Milliardensummen. Im
Kern war diese Entscheidung ebenfalls im Dezember getroffen worden.
Nun ging es darum, sie in einen verbindlichen Text zu gießen.

Unter anderem soll der ESM bei Bankenpleiten künftig eine wichtigere
Rolle spielen und die sogenannte Letztsicherung («backstop») für den

Bankenabwicklungsfonds SRF stellen. Dieser dient dazu, dass keine
Steuergelder mehr für die Rettung von Banken verwendet werden. Bis
2024 soll er von den Banken selbst mit mehr als 55 Milliarden Euro
gefüllt werden. Reicht diese Summe bei schweren Krisen nicht aus,
könnte künftig noch der ESM einspringen - frühestens allerdings von
2020 an.

Außerdem soll der Rettungsschirm nicht mehr nur in äußerster Not,
sondern bereits bei ersten Anzeichen einer Krise tätig werden können.
Die Ratifizierungsverfahren in den einzelnen Staaten sollten Ende des
Jahres beginnen können.