; letzter Satz gestrichen) Affären und Anschuldigungen: SPD macht Stimmung gegen von der Leyen Von Ansgar Haase und Michel Winde, dpa

11.07.2019 14:58

Um Ursula von der Leyen als EU-Kommissionschefin zu verhindern,
greifen deutsche Sozialdemokraten jetzt zu härteren Mitteln. In einem
Papier für europäische Parteifreunde wird so ziemlich alles Schlechte
aufgeführt, was über die CDU-Politikerin gesagt werden kann.

Brüssel (dpa) - Die Europaabgeordneten der SPD versuchen, mit einem
brisanten Papier die Wahl von Ursula von der Leyen zur Präsidentin
der EU-Kommission zu verhindern. Nach Informationen der Deutschen
Presse-Agentur ließ der deutsche Gruppenchef Jens Geier in der
Fraktion der europäischen Sozialdemokraten ein Dokument verteilen, in
dem zahlreiche aktuelle und frühere Anschuldigungen gegen die
derzeitige Bundesverteidigungsministerin und CDU-Politikerin
aufgelistet sind.

Bundeskanzlerin Angela Merkel rief Kritiker von der Leyens daraufhin
am Donnerstag zur Mäßigung auf. Sie sei sich mit der SPD-Führung
einig, dass es einen vernünftigen Umgang mit der CDU-Politikerin
geben müsse, auch wenn man nicht an einem Strang ziehe. «Manches, was
da gestern in Brüssel stattgefunden hat, würde ich jetzt nicht in
diese Kategorie hineinstecken», sagte Merkel. «Wir arbeiten dafür,
dass Frau von der Leyen gewählt wird. Und dass wir diese Situation in
der Koalition haben, ist natürlich nicht einfach»

Die 60 Jahre alte von der Leyen wird in dem Dokument mit Begriffen
wie «Affäre», «Skandal», «Anschuldigungen», «mangelnder R
ückhalt» und
«Plagiat» in Verbindung gebracht. Überschrieben ist der Text mit den

Worten: «Warum Ursula von der Leyen eine unzulängliche und
ungeeignete Kandidatin ist».

Brisant ist das Papier, weil sich von der Leyen nach der Nominierung
durch die Staats- und Regierungschefs am kommenden Dienstag im
Europaparlament noch einer Abstimmung stellen muss. Dort ist sie
aller Voraussicht nach zumindest auf einen Teil der Stimmen der
europäischen Sozialdemokraten angewiesen, um die erforderliche
absolute Mehrheit zu bekommen. Nach den Grünen kündigten am
Donnerstag nämlich auch die Linken an, von der Leyen definitiv nicht
zu unterstützen.

«Nachdem wir der als EU-Kommissionspräsidentin nominierten Ursula von
der Leyen heute Morgen zugehört haben, hat die Gruppe entschieden,
dass wir ihre Kandidatur nicht unterstützen werden», teilte der
amtierende Fraktionschef Martin Schirdewan mit. Ihre Antworten seien
unzureichend gewesen, um den einfachsten Wünschen der europäischen
Bürger zu genügen. Sie werde nur die chronischen Probleme der EU
fortsetzen.

Dass von dem SPD-Abgeordneten Geier verteilte Papier könnte die
Situation von der Leyens nun weiter erschweren. Beschrieben werden in
dem zweiseitigen, in englischer Sprache verfassten Text unter anderem
die Berater-Affäre um den Einsatz externer Fachleute bei der
Modernisierung der Bundeswehr und die «Kostenexplosion» bei der
Sanierung des Marineschulschiffes «Gorch Fock». Zudem thematisieren
die Autoren noch einmal den nach einer langen Prüfung ausgeräumten
Vorwurf, wonach von der Leyen wegen Plagiaten in ihrer Dissertation
zu Unrecht einen Doktortitel führt.

Zu von der Leyens derzeitigem Job als Verteidigungsministerin heißt
es, die 60-Jährige habe es nicht geschafft, die Ausrüstung der
Bundeswehr signifikant zu verbessern. Diese befinde sich in einem
armseligen Zustand, und öffentlich angekündigte Trendwenden seien
Marketing-Aktionen geblieben. Zudem werden zuletzt schwache Wahl- und
Umfrageergebnisse als Beleg dafür angeführt, wie sehr der Stern der
Politikerin zuletzt verblasst sei.

Am Ende des Textes wird von der Leyen als Kandidatin des umstrittenen
ungarischen Regierungschefs Viktor Orban bezeichnet - obwohl in der
vergangenen Woche mit Ausnahme von Bundeskanzlerin Angela Merkel
(CDU) alle europäischen Staats- und Regierungschefs für ihre
Nominierung gestimmt hatten. Merkel enthielt sich bei der
Entscheidung, weil die SPD als Koalitionspartner nicht zustimmen
wollte.

Dass mit von der Leyen zum ersten Mal seit mehr als 50 Jahren wieder
jemand aus Deutschland an die Spitze der EU-Kommission rücken könnte,
spielt für die SPD keine Rolle. Sie argumentiert vor allem, dass die
Staats- und Regierungschefs mit der Nominierung von der Leyens die
Vorgabe einer Mehrheit im EU-Parlament übergingen, nur einen der
Spitzenkandidaten zur Europawahl zum Kommissionschef zu wählen.

Nach diesem Prinzip hätten eigentlich der CSU-Politiker Manfred Weber
oder der niederländische Sozialdemokrat Frans Timmermans
Kommissionschef werden müssen. Gegen Weber stellte sich im Rat der
Staats- und Regierungschefs allerdings unter anderem der französische
Präsident Emmanuel Macron, Timmermans fehlte die Rückendeckung vor
allem von Ländern wie Ungarn und Polen, aber auch einiger
christdemokratischer Regierungen.

Der SPD-Politiker Geier wies am Donnerstag den Vorwurf zurück, eine
Schmutzkampagne gegen von der Leyen gestartet zu haben und spielte
das Papier als reines Informationsblatt herunter. Er habe nach der
Nominierung von der Leyens in der Fraktion über die Berichterstattung
in deutschen Medien erzählt. Daraufhin sei er darum gebeten worden,
die Informationen mal zusammenzustellen. «Das haben wir gemacht. Das
war eine interne Information für die Mitglieder der Fraktion», sagte
Geier.

Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Achim
Post, betonte unterdessen noch einmal, dass er von der Leyen vor
allem wegen des Alleingangs der Staats- und Regierungschefs ablehnt.
«Es ist doch niemandem vermittelbar, dass erst Spitzenkandidaten zur
Wahl aufgestellt werden und dann nach der Wahl nicht ein einziger von
ihnen überhaupt einmal dem Europäischen Parlament vorgeschlagen
wird», sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland
(Donnerstag).