Günther rügt SPD wegen Haltung bei der Wahl von der Leyens

17.07.2019 11:48

Das SPD-Nein zu von der Leyen an der EU-Spitze stößt weiter auf
Kritik. Engstirnig nennt Regierungschef Günther das Verhalten der
Sozialdemokraten. Fraktionschef Stegner weist das zurück.
Versöhnliche Signale kommen aus einer anderen Partei.

Windhuk/Kiel (dpa/lno) - Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel
Günther hat das Verhalten der SPD im Zusammenhang mit der Wahl Ursula
von der Leyens zur Präsidentin der EU-Kommission kritisiert. Die SPD
müsse sich fragen, ob ihr Verhalten angemessen war, sagte der
CDU-Politiker während seines Afrika-Besuchs in Namibias Hauptstadt
Windhuk.

Es sei um die Besetzung der Kommissionspräsidentin gegangen. «Sich
dann in so einer Situation so engstirnig parteipolitisch zu
verhalten, ist einfach einem solchen Amt nicht angemessen.» Die
deutschen Sozialdemokraten hatten sich anders als die Mehrheit der
Fraktion im EU-Parlament gegen von der Leyen ausgesprochen. Deren
Wahl sei ein unglaublich gutes und wichtiges Signal, sagte Günther.

Jetzt sei es von der Leyens große Aufgabe, Europa zusammenzuführen.
Er glaube, dass sie mit ihrer Erfahrung dafür gewappnet ist. Europa
werde von ihrer Wahl profitieren. «Ich glaube fest daran: Was für
Europa gut ist, ist am Ende auch für Deutschland gut.»

SPD-Bundesvize Ralf Stegner wies die Kritik am Verhalten seiner
Partei zurück. «Harte (mediale) Kritik an uns Sozialdemokraten, nur
weil wir nach der EU-Wahl weiterhin bei dem geblieben sind, was wir
vorher versprochen hatten, ist unberechtigt», twitterte er.
«Umgekehrt gilt jetzt nach der Entscheidung des EU Parlaments
Unterstützung für gewählte Präsidentin und starkes Europa!»

Nach Ansicht des Präsidenten des Kieler Instituts für Weltwirtschaft
(IfW), Gabriel Felbermayr, muss von der Leyen eine Vertiefung des
EU-Binnenmarktes vorantreiben. «Die Größe und Tiefe des europäische
n
Binnenmarktes ist der stärkste Trumpf, mit dem die EU in
multilateralen Verhandlungen stechen kann», sagte Felbermayr. Als
wichtige Bereiche hob der Ökonom die Medizin- und Biotechnologie,
Energie, das Bankenwesen und die Digitalisierung hervor.

«Sie sollte sich für ein Europa der Clubs stark machen, das es
peripheren Ländern wie Großbritannien, der Schweiz und der Türkei
erlaubt, bei der wirtschaftlichen Integration weitgehend mitzumachen,
das Ziel der politischen Union aber nicht mitverfolgen zu müssen»,
sagte Felbermayr. Zentralistische Maßnahmen wie ein EU-Mindestlohn
schwächten aber die Wettbewerbsfähigkeit, sagte der Ökonom im Blick
auf eine Ankündigung von der Leyens. Lohnpolitik müsse Sache der
Nationalstaaten bleiben.

Von der Leyen müsse die EU auch in Handelsstreitigkeiten mit den
USA und China einen, sagte Felbermayr. «Es gilt einen neuen Konsens
zwischen dem freihandelsskeptischen Frankreich und dem
exportorientierten Deutschland zu finden.»

Europaministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) lobte von der Leyens
Aussage, die neue EU-Kommission paritätisch besetzen zu wollen. «Das
ist - fast auf den Tag genau - 40 Jahre nach der Wahl von Simone Veil
zur ersten Präsidentin des Europäischen Parlaments ein starkes
Zeichen für die Gleichberechtigung der Geschlechter in einem
friedlichen, geeinten Europa.» Für Schleswig-Holstein gehe es auch um
die künftige finanzielle Ausstattung des Interreg-Programms
«Deutschland-Dänemark». Dieses habe in der Vergangenheit wesentlich
zum Zusammenwachsen der Grenzregionen beigetragen.

«Auch wenn Sie uns Grüne in den letzten Tagen nicht überzeugen
konnte, sind wir bereit, konstruktiv mit ihr an der Zukunft der EU
mitzuarbeiten», sagte der Grünen-Europaabgeordnete Rasmus Andresen.
«Wir Grüne sind nicht in der Fundamentalopposition, sondern werden
sachorientiert mit der neuen Kommission die Zusammenarbeit suchen.»
Von der Leyen habe eine sehr starke pro europäische Rede gehalten und
damit kurz vor der Abstimmung viele Zweifler von sich überzeugen
können.