Brüssel verdächtigt Amazon zweifelhafter Handelspraktiken

17.07.2019 13:35

Nutzt Amazon Daten auf seiner Handelsplattform um Drittanbieter
auszubooten und sich Vorteile zu verschaffen? Die EU-Wettbewerbshüter
wollen der Sache auf den Grund gehen.

Brüssel (dpa) - Die EU-Wettbewerbshüter nehmen wegen möglicherweise
illegaler Geschäftspraktiken den Umgang von Amazon mit Händlern auf
seiner Internetplattform ins Visier. Gegen den US-Onlinehändler sei
eine offizielle Untersuchung eingeleitet worden, teilte die
EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel mit.

Als Plattform habe Amazon eine doppelte Funktion, betonte die
Kommission. Zum einen verkauft das Unternehmen selbst als
Einzelhändler Produkte auf seiner Internetseite. Zum anderen stellt
es einen Online-Marktplatz zur Verfügung, über den andere Händler
ihre Waren direkt an Kunden verkaufen können.

Dabei sammele Amazon laufend Daten über diese Händler, ihre Produkte
und das Kundenverhalten, erklärten die Wettbewerbshüter weiter.
Konkret wollen sie nun der Frage nachgehen, ob und wie die Nutzung
dieser Daten den Wettbewerb einschränkt und ob Amazon sie nutzt, um
Händler in lukrativen Geschäftsbereichen zu verdrängen. Dazu will die

Brüsseler Behörde unter anderem die Standardvereinbarungen zwischen
Amazon und den anderen Marktplatzhändlern prüfen.

In den Fokus will die EU-Kommission auch die sogenannte «Buy Box»
nehmen. Mit diesem Kaufbutton können Kunden Produkte von
Drittanbietern direkt in ihren Amazon-Einkaufswagen befördern. Diese
«Buy Box» zu erhalten, sei für die Händler entscheidend, da ein
Großteil der Einkäufe über sie getätigt würden, erklärten die
Wettbewerbshüter weiter. Händler müssen in der Regel aber eine Reihe

von Voraussetzungen erfüllen, bevor sie diesen Einkaufswagen-Link
bekommen. Die Rolle von Daten bei diesem Vergabeverfahren werde
ebenfalls untersucht, hieß es.

Die Plattform für Waren von Drittanbietern ist für den US-Konzern
immens wichtig. Nach Firmenangaben stammen 58 Prozent des weltweit
über Amazon erwirtschafteten Bruttowarenumsatzes von diesen
Verkäufern.

«Der elektronische Handel hat den Wettbewerb im Einzelhandel
angekurbelt und zu einer größeren Auswahl und günstigeren Preisen
geführt», sagte die zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager.
«Wir müssen sicherstellen, dass große Online-Plattformen diese
Vorteile nicht durch wettbewerbswidriges Verhalten aushebeln.»

Für die Untersuchung gibt es keine Frist. Sollte die EU-Kommission
letztlich illegales Verhalten feststellen, kann sie Strafen in
Milliardenhöhe verhängen und eine Änderung des Geschäftsmodells
auferlegen.

Amazon zeigte sich kooperationsbereit. «Wir werden vollumfänglich mit
der Europäischen Kommission kooperieren und weiterhin daran arbeiten,
Unternehmen jeder Größe in ihrem Wachstum zu unterstützen», sagte e
in
Firmensprecher.

Amazon ist der weltgrößte Internethändler. Das Unternehmen mit Sitz
in Seattle im US-Bundesstaat Washington erzielte im vergangenen Jahr
einen Umsatz von 233 Milliarden Dollar, das war ein Zuwachs von 31
Prozent.

Neben dem Handelsgeschäft ist inzwischen die Cloud-Sparte AWS, deren
Dienste auch von vielen anderen Tech-Unternehmen genutzt werden, ein
lukratives Standbein. Der Konzern rückte auch in das Geschäft mit
Musik- und Videostreaming vor und stellt mit der Alexa-Software in
seinen vernetzten Echo-Lautsprechern einen der meistgenutzten
Sprachassistenten.

Das Unternehmen stand bereits in der Vergangenheit im Visier der
Wettbewerbshüter, etwa wegen unzulässiger Steuerdeals in Luxemburg.
Im Jahr 2017 erklärte die EU-Kommission eine Regelung Luxemburgs für
Amazon für nicht rechtens und forderte die Behörden des Landes auf,
rund 250 Millionen Euro plus Zinsen zurückzufordern. Amazon wehrt
sich beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen den Beschluss, der
Fall könnte sich noch über Jahre hinziehen.