EU-Parlamentspräsident: von der Leyen soll Tempo machen

17.07.2019 15:12

Ursula von der Leyen soll zum 1. November EU-Kommissionschefin
werden. Vorher muss sie ihre Kommissare aussuchen und ihre politische
Agenda vorbereiten.

Straßburg (dpa) - Nach der knappen Wahl Ursula von der Leyens sind
die Erwartungen hoch, dass die neue EU-Kommissionschefin rasch ein
Team zusammenstellt und im Herbst ihre Versprechen angeht. Es gebe
viel zu tun, sagte EU-Parlamentspräsident David Sassoli am Mittwoch
und nannte den für Oktober angekündigten Brexit und die komplizierten
EU-Finanzverhandlungen. «Ich hoffe, dass die Kommission deshalb so
schnell wie möglich die Arbeit aufnehmen kann», sagte Sassoli.

Von der Leyen war am Dienstagabend im EU-Parlament mit einer Mehrheit
von wenigen Stimmen gewählt worden und kann damit zum 1. November als
erste Frau in der Geschichte der EU an die Spitze der Kommission
rücken. Am Mittwoch übergab sie in Berlin ihr Amt als
Verteidigungsministerin an CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer ab.
In den nächsten Wochen muss sie aus Vorschlägen der EU-Länder ihre
Kommission mit insgesamt 28 Mitgliedern zusammenstellen. Das
Kollegium muss sich Anhörungen und einer Wahl im Parlament stellen.

Als Kommissionspräsident kann von der Leyen in den nächsten fünf
Jahren die politische Linien und Prioritäten der EU mitbestimmen. Sie
wird Chefin von mehr als 30 000 Mitarbeitern in der Brüsseler
Behörde. Diese ist dafür zuständig, Gesetzesvorschläge zu machen un
d
die Einhaltung von EU-Recht zu überwachen. Sie bestimmt damit auch
den Alltag der gut 500 Millionen Europäer mit.

Bei der Wahl hatten die Grünen und etwa ein Drittel der 153
Sozialdemokraten von der Leyen die Stimme verweigert, unter anderem,
weil sie keine Spitzenkandidatin zur Europawahl war. Stattdessen
erhielt sie offenbar etliche Stimmen von EU-Kritikern. So sagte
Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, seine Regierungspartei
PiS sei das «Zünglein an der Waage» gewesen. Die PiS streitet seit
Jahren mit der EU-Kommission über Rechtsstaatlichkeit in Polen.

Die sozialdemokratische Fraktionschefin im EU-Parlament, Iratxe
García Pérez, spielte die Bedeutung der Stimmverteilung am Mittwoch
herunter. Mehrheitlich habe ihre Fraktion die Kandidatin unterstützt.
«Wir haben beschlossen, dass das jetzt der Moment ist, sich
verantwortungsvoll zu verhalten», sagte die Spanierin. Sie lobte die
Pläne von der Leyens für ein grünes und soziales Europa und betonte,

man erwarte eine schnelle Umsetzung der weitreichenden Zusagen: «Wir
werden sehr wachsam sein.»

Unter anderen hatten die 16 SPD-Abgeordneten der neuen
EU-Kommissionschefin die Stimmen verweigert, was in der großen
Koalition in Berlin für Unmut sorgt. CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer
kündigte in der ARD an, dass sie mit den Sozialdemokraten darüber
sprechen wolle. «Die Sozialdemokraten müssen jetzt den Bürgerinnen
und Bürgern in Deutschland erklären, warum sie an diesem Tag für
jemanden aus der eigenen Regierung, aus der großen Koalition nicht
die Hand heben konnten», sagte Kramp-Karrenbauer.

Hauptkritikpunkt der SPD-Europaabgeordneten war, dass nicht - wie von
Christdemokraten und Sozialdemokraten angekündigt - einer ihrer
Spitzenkandidaten zur Europawahl Kommissionschef werden sollte.