Deutschland und Frankreich sehen Gewaltenteilung in Polen in Gefahr

18.07.2019 17:28

Seit Jahren streitet die EU-Kommission mit der rechtskonservativen
Regierung in Warschau über die Einhaltung von Grundwerten. Eine
Lösung des Problems ist nicht in Sicht.

Brüssel (dpa) - Deutschland und Frankreich sehen die Justizreformen
in Polen weiter als Gefahr für die Unabhängigkeit der Gerichte und
die Gewaltenteilung. Dies bekräftigte Europastaatsminister Michael
Roth am Donnerstag im Kreis seiner EU-Kollegen in Brüssel, wie
Diplomaten mitteilten. Öffentlich forderte der SPD-Politiker die
künftige EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen (CDU) auf, mit der
Sicherung der Rechtsstaatlichkeit wie angekündigt weiter Ernst zu
machen.

Gegen Polen und Ungarn laufen Sanktionsverfahren nach Artikel 7 des
EU-Vertrags wegen mutmaßlicher Verstöße gegen EU-Grundwerte.
Anhörungen Polens im Kreis der übrigen Staaten haben aber bisher
wenig erbracht. Ungarn könnte im September erstmals gehört werden,
wie die finnische Ratspräsidentschaft mitteilte.

Auf die Bedenken, die zu dem Artikel-7-Verfahren geführt hatten, sei
Polen nicht vollständig und angemessen eingegangen, sagte Roth nach
Angaben von Diplomaten im Namen von Deutschland und Frankreich bei
dem Ministertreffen. Das Verfahren solle fortgesetzt und so bald wie
möglich eine neue Anhörung Polens geplant werden.

Auch EU-Kommissionsvize Frans Timmermans sagte, es gebe aus den
vergangenen Monaten wenig Gutes zum Streit mit Polen zu berichten.
Erst am Mittwoch hatte die EU-Kommission ein weiteres Verfahren wegen
eines neuen polnischen Gesetzes zur Disziplinierung polnischer
Richter vorangetrieben. Auch diese neue Regelung könnte ein Problem
für die Unabhängigkeit von Richtern sein, sagte Timmermans.

Der polnische Europaminister Konrad Szymanski wies dies zurück: Es
gebe keine Möglichkeit einer politischen Einflussnahme auf Richter,
sagte er in Brüssel. Er wandte sich auch gegen eine neue Anhörung im
Artikel-7-Verfahren. Die polnische Regierung ist der Auffassung, dass
das Verfahren erledigt sei und eingestellt werden sollte.

Von der Leyen hatte vor ihrer Wahl zur EU-Kommissionspräsidentin am
Dienstag die Sicherung der Rechtsstaatlichkeit zur Priorität erklärt.
Doch hat ihr die polnische Regierungspartei PiS nach eigenen Angaben
zu ihrer knappen Mehrheit im EU-Parlament verholfen. Deshalb wird
spekuliert, von der Leyen könnte nachgiebiger sein als die jetzige
EU-Kommission.

Timmermans, der auch von der Leyens Kommission angehören wird, wies
dies zurück. «Die nächste Kommission wird genauso wie diese
Kommission unerbittlich die Rechtsstaatlichkeit in der ganzen
Europäischen Union durchsetzen», sagte der Niederländer. Mit von der

Leyen sei er sich da vollkommen einig.

Staatsminister Roth begrüßte den Vorschlag der jetzigen Kommission,
alle EU-Staaten jährlich einmal einem Grundwerte-Check zu
unterziehen. Richtig sei auch das Ziel, die Vergabe von EU-Geldern an
die Einhaltung rechtsstaatlicher Standards zu koppeln, sagte Roth.