Zentralrat der Juden: «Religionsfreiheit europaweit unter Beschuss»
25.08.2019 11:20
Das sogenannte Schächten sorgt seit Jahren für Diskussionen zwischen
Tierschützern und religiösen Gemeinschaften. In Teilen Belgiens kommt
nun ein Gesetz, das das Schlachten ohne Betäubung verbietet. Einige
sehen darin ein verheerendes Signal.
Brüssel/Berlin (dpa) - Der Zentralrat der Juden in Deutschland warnt
vor einer Bedrohung der Religionsfreiheit in Europa. Anlass ist ein
neues belgisches Verbot des Schlachtens ohne Betäubung, das nach
religiösen Vorschriften im Judentum und im Islam praktiziert wird.
«Das Verbot des betäubungslosen Schächtens, das nun auch in der
Wallonie in Kraft tritt, ist ein weiteres Zeichen dafür, dass die
Religionsfreiheit europaweit unter Beschuss ist», sagte
Zentralratspräsident Josef Schuster der Deutschen Presse-Agentur in
Brüssel.
Das neue Gesetz tritt kommenden Sonntag (1. September) im
französischsprachigen Teil Belgiens in Kraft. Es sieht vor, dass
Tiere nicht mehr ohne vorherige Betäubung geschlachtet werden dürfen.
Begründet wird dies mit dem Tierschutz. Im nördlichen Teil Belgiens,
in Flandern, gilt ein ähnliches Gesetz bereits seit Anfang 2019.
Schuster sagte der dpa, er hoffe, dass der Europäische Gerichtshof
(EuGH) das Verbot aufhebe und die Religionsfreiheit in seinem Urteil
«angemessen berücksichtigt». Der EuGH ist mit der Frage befasst,
nachdem die jüdische Gemeinschaft in Belgien gegen das bereits
geltende Gesetz in Flandern geklagt hatte. Das EuGH-Urteil dürfte in
einigen Monaten kommen und Signalwirkung für ganz Europa haben. Das
Schlachten ohne Betäubung ist auch in anderen EU-Staaten wie Schweden
oder Dänemark verboten. In Deutschland können aus religiösen Gründe
n
Ausnahmen erteilt werden.
Auch der Vorsitzende des Europäischen Jüdischen Kongresses, Menachem
Margolin, sieht in den belgischen Gesetzen ein verheerendes Signal:
«Das ist eine starke Botschaft, dass die jüdische Gemeinschaft nicht
wirklich willkommen ist», sagte er der dpa. Die Gesetze schränkten
die Religionsfreiheit ein.
Der Vorsitzende der belgischen Tierschutzorganisation Gaia, Michel
Vandenbosch, widerspricht. Er betont, dass es nicht um Eingriffe in
die Religionsfreiheit gehe, sondern um den Tierschutz. Die Reaktion
einiger religiöser Führer seien übertrieben. Die Gesetze seien in
demokratischen Prozessen mit großer Mehrheit und Stimmen aus allen
Parteien beschlossen worden. «Das ist kein Gesetz, das das rituelle
Schlachten verbietet, sondern nur das Schlachten ohne vorherige
Betäubung», sagte Vandenbosch.
Die Diskussion über das Schächten läuft schon seit Jahren. Eine
«einvernehmliche Bewertung» ist nach Angaben des deutschen
Bundeszentrums für Ernährung nicht in Sicht. «Aus tiermedizinischer
Sicht ist eine Betäubung vor der Schlachtung unentbehrlich, um
mögliche Todesängste und Schmerzen beim Entbluten zu verhindern.»