Brüssel erlaubt RWE-Eon-Deal - Kritik von Verbraucherschützern

17.09.2019 13:15

Es ist einer der spektakulärsten Deals der vergangenen Jahre: Die
beiden Platzhirsche der Strombranche, Eon und RWE, stecken ihre
Reviere neu ab. Die EU-Wettbewerbshüter stellen Bedingungen - doch
reichen diese?

Brüssel (dpa) - Die EU-Wettbewerbshüter haben den umstrittenen
Stromdeal der deutschen Marktführer RWE und Eon unter Auflagen
erlaubt. Er führe nicht zu weniger Auswahl und höheren Preisen,
teilte die Brüsseler Behörde am Dienstag mit. Damit können Eon und
RWE den deutschen Strommarkt umkrempeln. Eon-Chef Johannes Teyssen
sagte, man sei «erleichtert, stolz, aber auch ein bisschen demütig».

Von Verbraucherschützern und Konkurrenten kam Kritik.

Die beiden Essener Konzerne werden die RWE-Tochter Innogy zerschlagen
und ihre Geschäftsfelder komplett neu aufteilen. Dies wird nach den
Worten von Teyssen nun zügig geschehen.

Eon soll die Netze und das Endkundengeschäft von Innogy erhalten, RWE
die erneuerbaren Energien von Innogy und Eon. Den RWE-Teil des Deals
hatte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager bereits
durchgewunken.

Die langjährigen Rivalen wollen sich nicht mehr in die Quere kommen.
RWE wird zum Produzenten und Großhändler von Strom. Eon, künftig ohne

eigene Kraftwerke, will sich auf den Transport und Verkauf von Strom,
Gas und Energiedienstleistungen an Haushalte und Unternehmen
konzentrieren.

Eon wird mit der Innogy-Übernahme zum mit weitem Abstand größten
Stromversorger in Deutschland. Zusammen mit den bisherigen
Innogy-Kunden kommt der Energieriese künftig auf rund 14 Millionen
Kunden. In Europa wird Eon sogar rund 50 Millionen Kunden mit Strom
und Gas beliefern.

«Privat- und Geschäftskunden in Europa müssen Strom und Gas zu
wettbewerbsfähigen Preisen beziehen können. Wir können heute die
Übernahme von Innogy durch Eon genehmigen, weil die
Verpflichtungszusagen von Eon sicherstellen, dass der Zusammenschluss
in den Ländern, in denen diese Unternehmen tätig sind, nicht zu einer
geringeren Auswahl und höheren Preisen führen wird», sagte Vestager.


Zu den Auflagen gehört nun, dass Eon unter anderem 34 Ladestationen
für Elektroautos an deutschen Autobahnen sowie das
Tschechien-Geschäft abgeben muss. Die Ladestationen sollen künftig
von einem Drittanbieter betrieben werden. Zudem muss Eon die Verträge
mit den meisten seiner Heizstromkunden in Deutschland abgeben.

Daran gibt es allerdings Kritik. «Die Auflagen sind zu weich - dass
Eon keine ihrer zwei Discounter-Töchter verkaufen und auch keine
Beteiligung an Stadtwerken oder Regionalanbietern aufgeben muss,
überrascht», sagte Udo Sieverding, Bereichsleiter Energie der
Verbraucherzentrale NRW in Düsseldorf. Gemachte Auflagen wie zum
Beispiel der Verkauf von 34 Ladestationen seien hingegen kaum spürbar
für den Konzern.

Der Zusammenschluss der beiden größten deutschen Energiekonzerne, Eon
und RWE, sei «eine weitere Zäsur für den deutschen Energiemarkt»,
teilte der Ökostromanbieter Lichtblick mit. «Wettbewerb und
Innovation werden auf der Strecke bleiben - Verbraucher und der
Industriestandort Deutschland insgesamt die Zeche zahlen müssen»,
sagte Lichtblick-Geschäftsführer Gero Lücking. So eine
Machtkonzentration habe es im deutschen Energiemarkt noch nie
gegeben.

Der Vorstandsvorsitzende von RWE, Rolf Martin Schmitz, sagte
hingegen: «Die Vereinbarungen zwischen RWE und Eon werden die
Energiewende maßgeblich voranbringen, weil sie die Stärken beider
Unternehmen bündeln und eine Fokussierung auf die jeweiligen
Wertschöpfungsstufen ermöglichen.»

RWE, wegen seiner Braunkohlekraftwerke in der Kritik, wird durch den
Deal mit Eon zu einem führenden Anbieter von erneuerbaren Energien.
Jedes Jahr will der Konzern künftig kräftig in die erneuerbaren
Energien investieren. In Deutschland wird der Anteil von RWE an der
Ökostrom-Erzeugung aber vorerst nur gering ausfallen. Von den rund
100 Gigawatt erneuerbarer Energien in Deutschland verfügt RWE eigenen
Angaben zufolge nur über ein Gigawatt.

Für Innogy, erst vor drei Jahren von der Konzernmutter RWE an die
Börse gebracht, bedeutet die Entscheidung aus Brüssel das Aus. Der
Großteil der mehr als 40 000 Mitarbeiter wird zu Eon wechseln. Dabei
sollen bis zu 5000 Stellen aus beiden Unternehmen ohne
betriebsbedingte Kündigungen abgebaut werden. Darüber hatte Eon-Chef
Teyssen mit den Gewerkschaften eine Vereinbarung getroffen. Das neue
Unternehmen wird den Namen Eon behalten.

Der Abbau werde vor allem dort erfolgen, wo Eon und Innogy große
Überschneidungen hätten, sagte Teyssen. Dies sei besonders an drei
Standorten der Fall: «München, Dortmund und Essen werden sicherlich
eine gewisse Betroffenheit haben.»

Aus der Politik gab es gemischte Reaktionen. «Die nun genehmigte
Neustrukturierung der Geschäfte von Eon, RWE und Innogy eröffnet die
Chance, wieder schlagkräftige Player auf dem deutschen und
europäischen Energiemarkt zu bekommen», sagte der Wirtschafts- und
energiepolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Joachim
Pfeiffer. Die Grünen-Europaabgeordnete Jutta Paulus sagte hingegen:
«Die Wahlfreiheit der Bürgerinnen und Bürger wird durch die Fusion
aus Eon und RWE eingeschränkt und die Liberalisierung des
Strommarktes unterlaufen.»