Künftige EZB-Chefin Lagarde bekommt Zustimmung von EU-Parlament

17.09.2019 13:22

Christine Lagarde soll Anfang November den bisherigen Amtsinhaber
Mario Draghi an der Spitze der EZB ablösen. Auf die erste Frau auf
dem Posten wartet aber kein entspannter Arbeitsanfang - ihr Vorgänger
hinterlässt ihr ein dickes Maßnahmenpaket.

Straßburg (dpa) - Das EU-Parlament hat sich mit großer Mehrheit für
die bisherige IWF-Chefin Christine Lagarde an der Spitze der
Europäischen Zentralbank (EZB) ausgesprochen. Lagarde erhielt am
Dienstag 394 von 649 abgegebenen Stimmen bei einem geheimen Votum des
Europaparlaments in Straßburg. 206 Abgeordnete sprachen sich gegen
die Französin aus, 49 enthielten sich. Lagarde hatte den Abgeordneten
bereits Anfang September in Brüssel Rede und Antwort gestanden. Die
Abstimmung im Parlament hatte vor allem symbolischen Charakter.

Lagarde, die seit 2011 den Internationalen Währungsfonds (IWF)
geleitet hatte, soll am 1. November den bisherigen Amtsinhaber, den
Italiener Mario Draghi, ablösen. Die Kandidatur Lagardes werde nun
auf die Tagesordnung des Gipfeltreffens des Europäischen Rates im
Oktober gesetzt, teilte das Europaparlament mit. Die EU-Staats- und
Regierungschefs hatten die 63-Jährige im Juli nominiert. Die Amtszeit
eines EZB-Chefs beträgt acht Jahre.

Zum Einstieg wartet keine Entspannung auf die Französin. Kurz vor
Ende seiner Amtszeit zog Draghi Ende vergangener Woche noch einmal
alle Register und beschloss ein Maßnahmenpaket gegen
Konjunkturschwäche mit höheren Strafzinsen für Banken, frischen
Milliarden für Anleihenkäufe und einem vorerst zementierten Zinstief.
Eine erste Zinserhöhung verschob der EZB-Rat auf unbestimmte Zeit.

Die Zentralbank mit Sitz in Frankfurt entscheidet über die
Geldpolitik für die Eurozone und bestimmt unter anderem den
Leitzinssatz, der auch für Sparer und Kreditnehmer wichtig ist.
Hauptziel der EZB ist Preisstabilität.

Bisher mussten Geschäftsbanken 0,4 Prozent Zinsen zahlen, wenn sie
überschüssige Liquidität bei der Notenbank parken - eine
Milliardenbelastung für die Finanzbranche im Euroraum. Dieser
negative Einlagensatz wird nun auf minus 0,5 Prozent verschärft.

Mit dem Strafzins wollen die Währungshüter die Institute dazu
bringen, mehr Gelder in Form von Krediten an Unternehmen und
Verbraucher auszureichen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Das soll
auch den Preisauftrieb verstärken. Um die Banken etwas zu entlasten,
führt die EZB einen Staffelzins für bestimmte Freibeträge ein.

Lagarde hatte bereits bei ihrer Anhörung vor EU-Politikern in Brüssel
deutlich gemacht, dass sie eine sehr lockere Geldpolitik für
absehbare Zeit für nötig hält. Sie sagte aber auch: «Wir müssen d
ie
negativen Folgen und Nebeneffekte im Blick behalten.» Die Sorgen der
Menschen müssten beachtet werden. Außerdem wolle sie die
Entscheidungen der Notenbank künftig besser erklären. Nachfolgerin
Lagardes beim IWF soll die Bulgarin Kristalina Georgiewa werden.