Apple und EU-Kommission kämpfen um Milliarden-Steuernachzahlung Von Andrej Sokolow, dpa

17.09.2019 18:34

Showdown in Luxemburg: Apple und die EU-Kommission ringen vor dem
EU-Gericht um die gigantische Steuernachforderung von 13 Milliarden
Euro in Irland. Und am Ende dürfte es um mehr als nur viel Geld
gehen.

Luxemburg (dpa) - Die juristische Schlacht zwischen Apple und der
EU-Kommission um die Rekord-Steuernachzahlung von 13 Milliarden Euro
in Irland ist voll entbrannt. Der iPhone-Konzern bekräftigte am
Dienstag vor dem EU-Gericht in Luxemburg, dass die Erträge von zwei
irischen Tochterfirmen vor allem in den USA zu versteuern gewesen
seien. Die Kommission warf Apple vor, nur Verwirrung zu stiften. Sie
betonte ihre Sichtweise, dass Irland die Steuern zu niedrig angesetzt
habe.

Der iPhone-Hersteller fühlt sich dagegen doppelt zur Kasse gebeten.
«Apple zahlt jetzt rund 20 Milliarden Euro Steuern in den USA auf
dieselben Gewinne, die laut der Kommission auch in Irland besteuert
werden müssten», erklärte der US-Konzern. EU-Wettbewerbskommissarin
Margrethe Vestager hatte Apple im August 2016 aufgefordert, die
Milliardensumme in Irland nachzuzahlen, weil das Land dem Konzern
eine unzulässige Sonderbehandlung bei den Steuerkonditionen gewährt
habe.

Bei dem Streit geht es nicht nur um viel Geld. Für die in Europa oft
gefeierte Kommissarin Vestager war der aufsehenerregende Fall ein
Höhepunkt ihrer bisherigen Laufbahn. Eine Niederlage könnte ein
entsprechend schwerer politischer Rückschlag für sie werden. Zudem
könnte das Verfahren für Streit zwischen den USA und Europa über die

Besteuerung amerikanischer Unternehmen sorgen. Und für Apple geht es
auch um den Ruf: Der iPhone-Hersteller will sich nicht als
Steuerflüchtling und Trickser bezeichnen lassen.

Die Schlüsselfrage in dem Verfahren ist, welcher Anteil des in Irland
angesammelten Geldes hätte in dem Land versteuert werden müssen.

Apple argumentiert, die irische Tochter Apple Sales International
(ASI) sei lediglich für den Vertrieb von Geräten des Konzerns
außerhalb Nord- und Südamerikas zuständig gewesen - während die
eigentlichen Werte vor allem in den USA geschaffen worden seien. «Das
iPhone, das iPad, der App Store und alle anderen Produkte und Dienste
von Apple wurden anderswo entworfen und entwickelt.» Deswegen wäre es
falsch, auf die Gewinne aus dem internationalen Geschäft, die sich in
Irland ansammelten, Steuern in dem Land zu bezahlen. Irland habe
deshalb zurecht nur den Teil der bei den Tochterfirmen verbuchten
Gewinne besteuert, die auf Aktivitäten in dem Land zurückgingen.

Die Kommission bestritt am Dienstag nicht, dass ein Großteil des
intellektuellen Eigentums bei Apple in den Vereinigten Staaten
entstehe. Allerdings habe die irische Steuerbehörde nicht die
notwendigen Analysen des gesamten Geschäfts der Apple-Töchter
durchgeführt, um begründet entscheiden zu können, welcher Anteil der

Gewinne wo versteuert werden sollte. Die Zahlen «basieren nicht auf
wissenschaftlichen Daten und auf keiner bekannten Methodologie».
Stattdessen habe sich die Steuerbehörde auf Angaben von Apple dazu
verlassen. Irland entgegnet, es sei ausreichend gewesen, nur die
Apple-Aktivitäten in dem Land zu betrachten.

Die Kommission wies auch die Darstellung von Apple zurück, die beiden
irischen Firmentöchter seien lediglich mit Vertrieb und Fertigung
beauftragt gewesen. «Das ist nicht alles, was in Cork vor sich geht»,
einige Aktivitäten in der irischen Stadt gingen darüber hinaus. Die
Kommission argumentiert unter anderem, die irischen Töchter hätten
die Innovationen durch Vereinbarungen zur Kostenteilung
mitfinanziert. Irland konterte, ausschlaggebend sei nur, an welchem
Ort intellektuelles Eigentum geschaffen werde.

Mehrere Richter zeigten sich frustriert mit den zum Teil recht dünnen
Informationen insbesondere zur ersten Steuervereinbarung aus dem Jahr
1991. «Ich habe aufrichtige Schwierigkeiten zu verstehen, wo die
meisten Zahlen herkommen», sagte etwa Richter Alexander Kornezov. Die
Vertreter Irlands räumten ein, dass das Verfahren zur Zuordnung der
Gewinne heute besser dokumentiert worden wäre. Zugleich wollten
Richter aber auch von der Kommission wissen, welche Beweise sie dafür
vorlegen könne, dass strategische Entscheidung der Tochterfirmen in
Irland getroffen würden. Die berichterstattende Richterin Vesna
Tomljenovic meinte, die irischen Töchter kämen ihr wie leere
Firmenmantel vor - was Apple zurückweist.

Amerikanische Unternehmen konnten nach früheren US-Regelungen
Auslandsgewinne außerhalb des Heimatlandes lagern. Bei einem Transfer
in die USA wurden 35 Prozent Steuern fällig. Viele Firmen behielten
deshalb das Geld im Ausland. Mit der seit 2018 greifenden
Steuerreform wurde eine Zahlung auf die Auslandsreserven mit deutlich
niedrigeren Sätzen fällig - unabhängig davon, ob sie in die USA
gebracht werden oder nicht.

Apple zahlte nach Angaben von Januar 2018 rund 38 Milliarden Dollar
Steuern auf den im Ausland gelagerten Geldberg von 252 Milliarden
Dollar und kündigte an, den Großteil der Reserven in die USA zu
überweisen. Die am Dienstag genannten 20 Milliarden Euro sind Teil
dieser 38 Milliarden Dollar, wie Anwälte erklärten. Sie seien noch
nicht komplett bezahlt worden, aber die gestaffelte Zahlung sei fest
vereinbart. Apple hinterlegte nach der Forderung der Kommission zudem
14,3 Milliarden Euro auf einem Treuhandkonto inklusive Zinsen.

Rund um den Streit kochten immer wieder die Emotionen hoch. So hatte
Apple-Chef Tim Cook die Kritik Vestagers, Apple habe in Irland im
Jahr 2014 eine Körperschaftssteuer von nur 0,005 Prozent bezahlt, als
«politischen Dreck» bezeichnet. Die Kommission muss in Luxemburg
unter anderem nachweisen, dass Apple in Irland Sonderkonditionen
bekam, die für andere Unternehmen nicht verfügbar waren. Nach der
Entscheidung des EU-Gerichts können die Seiten noch in Berufung beim
Europäischen Gerichtshof gehen. Das dürfte den Streit um weitere
Jahre verlängern.