Deutsche Industrie: Bei Brexit geht es nur noch um Schadensbegrenzung

18.09.2019 13:16

Deal oder No Deal - das ist die Frage beim Brexit, die sich gerade
auch viele deutsche Firmen stellen. Egal, wie es ausgeht: Der Schaden
ist groß. Auch Jobs in Deutschland könnten betroffen sein.

Berlin (dpa) - Die deutsche Industrie ist angesichts des unsicheren
Brexits nur noch um Schadensbegrenzung bemüht. Das Handeln der
britischen Regierung von Premierminister Boris Johnson sei ein «Spiel
mit dem Feuer», sagte der Hauptgeschäftsführer des Industrieverbands

BDI, Joachim Lang, am Mittwoch in London. Es sei kein Plan erkennbar,
wie die Regierung einen ungeregelten Brexit verhindern wolle.
Unternehmen in Deutschland bleibe nichts anderes übrig, als sich auf
einen ungeregelten Ausstieg Großbritanniens aus der EU ohne Abkommen
Ende Oktober einzustellen.

Dies sei die schlechteste Option, die auch Auswirkungen auf Jobs in
Deutschland haben könne. Es könne eine «hohe fünfstellige» Zahl v
on
Arbeitsplätzen betroffen sein, sagte Lang. Bei einem ungeregelten
EU-Austritt der Briten könne die Produktion gestört werden, die
Nachfrage nach deutschen Produkten in Großbritannien könne weiter
einbrechen. Möglich sei dann auch in deutschen Firmen ein Abbau von
Jobs.

Wie genau sich ein Chaos-Brexit auswirken werde, könne aber niemand
vorhersehen. Der Brexit koste aber auf jeden Fall
Wirtschaftswachstum. Insgesamt hingen in Deutschland eine halbe
Million Arbeitsplätze an den Wirtschaftsbeziehungen zu
Großbritannien.

Lang warnte aber zugleich vor einer kurzfristigen weiteren
Verschiebung des Austrittsdatums ohne ein deutliches Ziel. Die
deutsche Industrie stehe «ohne Wenn und Aber» hinter dem Backstop -
der vorläufigen Lösung der Grenzprobleme zwischen Irland und
Nordirland.

Der britische Premierminister Johnson will den Backstop aber
streichen. Johnson will Großbritannien in jedem Fall am 31. Oktober
aus der Europäischen Union herausführen, ob mit oder ohne
Austrittsvertrag. Aus Sicht von EU-Kommissionschef Jean-Claude
Juncker ist eine Einigung im Brexit-Streit sehr unsicher. «Das Risiko
eines No-Deal bleibt sehr real», sagte Juncker am Mittwoch im
Europaparlament in Straßburg.

Lang sagte, der BDI sei «extrem besorgt» über den Stand der
No-Deal-Vorbereitungen in Großbritannien. Stand heute fehlten noch
zahlreiche rechtliche Regelungen, etwa zu Zöllen oder für Bereiche
wie die Landwirtschaft. Ob und wann Gesetze auf den Weg gebracht
würden, sei angesichts der Zwangspause völlig offen. Lang befand mit
Blick auf das Unterhaus in London: «Vielleicht finden sie dann noch
eine Verordnung aus dem 15. Jahrhundert.»

Für das deutsche Wirtschaftswachstum hätte ein Chaos-Brexit negative
Folgen, so Lang. Er bekräftigte, er rechne in diesem Jahr statt eines
Wachstums von 0,5 Prozent mit einer wirtschaftlichen Stagnation.