Türkei vor Menschenrechtsgericht: Demirtas-Beschwerde unrechtmäßig

18.09.2019 17:36

Straßburg (dpa) - Im Fall des inhaftierten pro-kurdischen Politikers
Selahattin Demirtas hat die Türkei dessen Beschwerde am Europäischen
Menschenrechtsgerichtshof (EGMR) als nicht rechtmäßig bezeichnet.
Demirtas hätte unter anderem erst die ausstehenden Urteile in der
Türkei abwarten müssen, bevor er eine Beschwerde am Gerichtshof hätte

einlegen können, argumentierten die Vertreter der türkischen
Regierung am Mittwoch bei einer öffentlichen Anhörung vor der Großen

Kammer des EGMR in Straßburg.

Demirtas habe zudem den nationalen Rechtsweg in der Türkei nicht voll
ausgeschöpft, bevor er sich an den EGMR wandte, so die
Regierungsseite. Seiner Meinung nach sei der Rechtsweg jedoch mit der
Entscheidung des türkischen Verfassungsgerichts von 2017
ausgeschöpft, erklärte Anwalt Kerem Altiparmak der Deutschen
Presse-Agentur. Es handele sich bei der Regierungsargumentation um
eine «Taktik», die «nicht überzeugend» sei.

Der EGMR hatte im vergangenen Jahr geurteilt, dass die lange
Untersuchungshaft Demirtas' nicht gerechtfertigt sei und die
Freilassung angeordnet. Die Türkei muss als Mitglied des Europarats
Urteile des EGMR eigentlich umsetzen - Erdogan hatte allerdings
gesagt, er fühle sich an dieses nicht gebunden. Der Fall war zuletzt
an die Große Kammer verwiesen worden, ein Urteil wird zu einem
späteren Zeitpunkt erwartet.

Ein türkisches Gericht hatte zwar Anfang September die Freilassung
angeordnet. Allerdings musste Demirtas zunächst im Gefängnis bleiben,
weil er bereits in einem anderen Verfahren rechtskräftig verurteilt
wurde. Der Politiker sitzt bereits seit November 2016 in
Untersuchungshaft. Gegen ihn laufen zahlreiche Prozesse. Im
Hauptverfahren in Ankara werden ihm unter anderem Leitung einer
Terrororganisation und Terrorpropaganda vorgeworfen.