Labour-Parteitag überschattet von Brexit-Richtungskampf

19.09.2019 10:39

Am Wochenende beginnt der Parteitag der britischen Sozialdemokraten.
Während ein Teil des Labour-Führungszirkels die Abkehr vom Brexit
anstrebt, will sich Parteichef Corbyn immer noch nicht festlegen.

Brighton (dpa) - Wenn sich an diesem Samstag die britischen
Sozialdemokraten in Brighton zum Labour-Parteitag treffen, ist Zoff
um den Brexit programmiert. Die größte britische Oppositionspartei
ist tief zerstritten, wenn es um den geplanten EU-Austritt des Landes
geht. Während sich ein großer Teil des Führungszirkels in der
Parlamentsfraktion klar für eine Abkehr vom Brexit einsetzt, will
sich Parteichef Jeremy Corbyn weiterhin nicht festlegen.

In einem Gastbeitrag im «Guardian» legte der 70-Jährige seinen Plan
vor: Zuerst soll ein Brexit ohne Abkommen am 31. Oktober abgewendet
werden. Ist der No-Deal-Brexit vom Tisch, will er eine Parlamentswahl
herbeiführen: «Eine Labour-Regierung würde ein vernünftiges Abkomme
n
schließen (...) einschließlich einer neuen Zollunion mit der EU,
einer engen Beziehung zum Binnenmarkt und Garantien für
Arbeitnehmerrechte und Umweltschutz.» Das Ganze werde dann in einem
neuen Referendum dem Volk vorgelegt, wobei die Alternative ein
Verbleib in der EU wäre. Er selbst will dabei neutral bleiben.

Corbyn nimmt damit eine sehr viel engere Beziehung zur EU ins Visier
als Premierminister Boris Johnson. Doch einigen in seiner Partei geht
das nicht weit genug. Sie verlangen, dass sich Labour ganz und gar
dem Ziel verschreibt, den Brexit abzusagen. Dafür sprach sich
kürzlich Labour-Vizechef Tom Watson aus. In einer Rede in London
sagte er, es müsse zuerst ein zweites Brexit-Referendum geben. Labour
müsse sich dabei «eindeutig und einstimmig» für den Verbleib in der

EU stark machen. Erst dann will Watson eine Parlamentswahl anstreben.
Es gebe keinen «guten Brexit-Deal» sagte Watson. Einem Bericht
zufolge haben lokale Labour-Verbände bereits Dutzende Anträge für
einen entsprechenden Beschluss auf dem Parteitag gestellt.

Labour versucht seit Jahren einen aussichtslosen Brexit-Spagat. In
den traditionellen Hochburgen der Sozialdemokraten im Nordosten des
Landes hatte eine deutliche Mehrheit beim Referendum 2016 für den
EU-Austritt gestimmt. Corbyn will diese Wähler nicht vergraulen.
Gleichzeitig lässt die Parteibindung nach. Die Wählerschaft ist immer
stärker in Brexit-Anhänger und EU-Befürworter gespalten. Das machte
sich bei der Europawahl im Mai bemerkbar, aus der die Brexit-Partei
von Nigel Farage und die Liberaldemokraten, die sich nun offen für
einen Exit vom Brexit aussprechen, als stärkste Parteien
hervorgingen.

Noch ein Thema dürfte die Sozialdemokraten auf ihrem bis Mittwoch
dauernden Treffen intensiver beschäftigen: Gegen Corbyn und seine
Partei werden seit Jahren Antisemitismus-Vorwürfe erhoben. Im
vergangenen Jahr räumte Corbyn ein, dass Disziplinarverfahren gegen
antisemitische Parteimitglieder zu langsam und zaghaft betrieben
worden seien. Kritiker werfen dem Alt-Linken eine einseitige
Unterstützung der Palästinenser im Nahostkonflikt vor.