Rumänin Kövesi wird Chefin der EU-Staatsanwaltschaft Von Michel Winde und Kathrin Lauer, dpa

19.09.2019 16:14

In der Heimat unter Druck, in Europa wohlgelitten: Die Rumänin Laura
Kövesi führt bald den Kampf gegen europäische Finanzkriminalität
an.
Dabei hatte vor allem Bukarest versucht, die Personalie zu
verhindern.

Brüssel/Bukarest (dpa) - Der Kampf gegen Finanzkriminalität in Europa
hat ein neues Gesicht. Die Rumänin Laura Kövesi wird Chefin der
geplanten Europäischen Staatsanwaltschaft - obwohl die eigene
Regierung alles versucht hat, die 46-Jährige zu verhindern. Die
Botschafter der 22 beteiligten EU-Länder sprachen sich am Donnerstag
mit großer Mehrheit für die ehemalige Chefin der rumänischen
Anti-Korruptionsbehörde aus. Bislang hatten sie für den Franzosen
Jean-François Bohnert geworben, das Europaparlament bestand jedoch
auf Kövesi.

Kövesi wertete das Votum als «Erfolg aller Rumänen, die in den
letzten Jahren den Kampf gegen Korruption unterstützt und den
Rechtsstaat verteidigt haben, vor allem in schwierigen Momenten».

Sie war wegen ihrer Ermittlungen gegen rumänische Politiker massiv
unter Druck der sozialliberalen Regierung in Bukarest geraten. Die
EU-Kommission hatte Rumänien erst kürzlich erhebliche Defizite bei
Rechtsstaatlichkeit, Korruptionsbekämpfung und Unabhängigkeit der
Justiz bescheinigt.

Der Ministerpräsidentin Viorica Dancila von den Sozialdemokraten ist
sie seit langem ein Dorn im Auge. Kövesis Ermittlungen führten unter
anderem zur Verurteilung des mächtigen Ex-Chefs der Sozialdemokraten,
Liviu Dragnea. Dass Kövesi im Sommer 2018 auf Betreiben der Regierung
vorzeitig als Chefin der Antikorruptionseinheit DNA abgesetzt wurde,
führen Kritiker auf Dragneas Druck zurück.

Doch auch danach ließen die Angriffe nicht nach. Eine neue Einheit
der Staatsanwaltschaft überschüttete die Juristin mit Verfahren: «2
4
Jahre lang habe ich als Staatsanwältin gearbeitet, 23 Jahre lang gab
es gegen mich kein einziges Disziplinarverfahren», sagte Kövesi
kürzlich der Deutschen Presse-Agentur. Seit ihrer Klage gegen ihre
DNA-Abbsetzung vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
habe sich das geändert. Abgeschreckt habe sie das allerdings
nicht: «Für mich ist das ein Erfolg. Je mehr ich angegriffen werde,
desto mehr bedeutet es, dass ich meinen Job gut gemacht habe.»

Rückendeckung für Kövesi kam stets aus dem Europaparlament.
Entsprechend erfreut zeigten sich die Abgeordneten nach der
Abstimmung am Donnerstag. Kövesi sei «mit ihrer Erfahrung und
Integrität eine Kampfansage der Europäischen Union an Betrug,
Geldwäsche und Korruption», sagte der Grünen-Abgeordnete Sven
Giegold. Der Liberale Guy Verhofstadt schrieb auf Twitter: «Nicht nur
die beste Person für den Job, sondern auch ein wichtiges Signal an
die rumänische Regierung: Ihr hättet sie nicht feuern sollen.» Und
auch der Fraktionschef der christdemokratischen EVP, CSU-Politiker
Manfred Weber, begrüßte das Votum für die 1973 in Siebenbürgen
geborene Juristin.

Die Europäische Staatsanwaltschaft soll Ende 2020 ihre Arbeit
aufnehmen und sich zunächst Straftaten mit Bezug zu EU-Geld widmen.
22 EU-Länder wollen sich daran beteiligen. 17 von ihnen votierten bei
der geheimen Abstimmung am Donnerstag für Kövesi, wie dpa aus
Diplomatenkreisen erfuhr. Rumäniens Regierung hatte zuvor
angekündigt, gegen Kövesi stimmen zu wollen.

Kövesi sieht die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der neuen
Behörde als großen Vorteil. «Alles wird schneller gehen. Der
Informationsaustausch wird direkt geschehen, die Beweismittel können
direkt benutzt werden», sagte sie dpa. Derzeit sei es nur nach
langwierigen bilateralen Rechtshilfe-Vereinbarungen zu jedem
Einzelfall möglich, ein Beweismittel aus einem Land in einem
Verfahren eines anderen Landes Gericht zu nutzen.

Politisch ist die Personalie damit durch - formal allerdings noch
nicht ganz. Kommende Woche wollen sich die Verhandlungsteams der
EU-Staaten und des Parlaments noch einmal treffen. Anschließend
müssten beide Seiten die Einigung noch formell abnicken.