London legt Brexit-Papiere vor - Anhörung zu Parlamentspause endet

19.09.2019 16:54

Nach drei Tagen Anhörung müssen die elf Richter des obersten
britischen Gerichts entscheiden, ob und wie sie in den Streit
zwischen Regierung und Parlament eingreifen. Sollte das Urteil gegen
Premier Johnson ausfallen, dürfte ihn das in Bedrängnis bringen.

London/Brüssel/Paris (dpa) - Das oberste britische Gericht will
Anfang nächster Woche eine Entscheidung zu der von Premierminister
Boris Johnson auferlegten Zwangspause des britischen Parlaments
treffen. Die dreitägige Anhörung ging am Donnerstag zu Ende. Im
Streit zwischen London und Brüssel über den Brexit-Vertrag zeigt sich
inzwischen etwas Bewegung. Die britische Regierung reagierte auf den
Wunsch der EU nach «schriftlichen Vorschlägen» erstmals mit Papieren.

Für Freitag ist eine Verhandlungsrunde angekündigt.

Bei dem Londoner Gerichtsverfahren zur Parlaments-Zwangspause war
unter anderen der ehemalige Premierminister John Major aufgetreten.
Die elf Richter des Supreme Courts müssen entscheiden, ob sie in den
Streit zwischen Parlament und Regierung eingreifen. Falls sie diesen
Weg wählen, stünde ein Urteil darüber an, ob Johnson gegen das Gesetz

verstoßen hat, als er bei Queen Elizabeth II. eine fünfwöchige
Parlamentspause erwirkte.

Kläger-Anwalt Lord David Pannick forderte in seinem Schlussplädoyer,
dass die Abgeordneten «so bald wie möglich nächste Woche» wieder
zusammentreten. Regierungsanwalt Lord Richard Keen warnte das Gericht
hingegen vor einer solchen Entscheidung. Es handle sich um
«verbotenes Terrain» für die Gerichtsbarkeit. Eine Niederlage vor
Gericht wäre ein schwerer Schlag für den Regierungschef und dürfte zu

Rücktrittsforderungen führen.

Das oberste schottische Gericht hatte Johnson vergangene Woche
vorgeworfen, die Königin über seine wahren Absichten für die
Parlamentspause getäuscht zu haben. Der High Court in London hatte
dagegen die Klage abgelehnt. Demzufolge handelt es sich um eine rein
politische Angelegenheit. Beide Urteile sollten überprüft werden.

Trotz Zwangspause, die in der Nacht zum 10. September in Kraft trat,
konnte Johnson nicht verhindern, dass die Abgeordneten ein Gesetz
gegen den No-Deal-Brexit durchs Parlament peitschten. Es verpflichtet
den Premier zum Antrag auf eine Brexit-Verschiebung, sollte nicht
rechtzeitig vor dem Brexit-Datum am 31. Oktober ein Abkommen mit der
EU ratifiziert sein. Dem will sich der Premier jedoch nicht beugen.
Er droht mit einem ungeregelten EU-Austritt, sollte Brüssel seinen
Forderungen nach Änderungen am Brexit-Vertrag nicht nachkommen.

Johnson will den fertigen Austrittsvertrag vor allem in einem Punkt
ändern: Die von der EU geforderte Garantieklausel für eine offene
Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland
will er streichen, den sogenannten Backstop. EU-Kommissionspräsident
Jean-Claude Juncker hatte zuletzt konkrete Vorschläge aus London
gefordert, wie der Backstop gleichwertig ersetzt werden kann.

Am Donnerstag legte London nun erstmals schriftliche Dokumente zu den
Änderungswünschen vor. Ob diese Papiere die von der EU gewünschten
«schriftlichen Vorschläge» sind, müsse erst noch geprüft werden,

sagte eine Kommissionssprecherin. Sie kündigte für Freitag ein
Treffen des britischen Brexit-Ministers Stephen Barclay mit
EU-Chefunterhändler Michel Barnier an.

Die britische Regierung nannte die übergebenen Dokumente «eine Reihe
vertraulicher technischer Non-Papers, die die Ideen widerspiegeln,
die Großbritannien bisher vorgebracht hat». Ein Regierungssprecher
fügte hinzu: «Wir werden formale schriftliche Lösungen vorlegen, wenn

wir bereit sind, nicht bis zu einer künstlichen Frist, und wenn die
EU klar macht, dass sie konstruktiv über sie diskutieren will als
Ersatz für den Backstop.»

Der derzeitige EU-Ratsvorsitzende, Finnlands Regierungschef Antti
Rinne, hatte Johnson zuvor eine Frist bis Monatsende gesetzt, um
Änderungswünsche am Brexit-Abkommen einzureichen. Sonst «ist es
vorbei», wurde Rinne von der finnischen Nachrichtenagentur STT
zitiert.

Ein EU-Diplomat erläuterte, der 30. September sei im Kreis der 27
verbleibenden Staaten zwar nicht konkret besprochen worden. Es sei
aber Konsens, dass die EU genügend Zeit benötige, um Texte aus London
intern zu bewerten und dann mit Großbritannien darüber zu verhandeln.
Wenn man bis zum EU-Gipfel am 17. Oktober Ergebnisse wolle, könnten
die konkreten Pläne nicht erst zwei Tage vorher auf den Tisch kommen,
sagte der Diplomat.