Hoffnung im Brexit-Streit - aber noch keine Fortschritte

20.09.2019 19:15

Es bleibt mühsam zwischen den Unterhändlern der Europäischen Union

und Großbritanniens. Aber immerhin: Sie reden wieder und sind sich
zumindest in einem Punkt einig.

Brüssel (dpa) - Im Brexit-Streit keimt zarte Hoffnung auf eine
Einigung zwischen Brüssel und London vor dem geplanten britischen
EU-Austritt am 31. Oktober. Gespräche von EU-Unterhändler Michel
Barnier mit Brexit-Minister Stephen Barclay brachten allerdings am
Freitag keinen erkennbaren Fortschritt. Die Detailarbeit solle auf
Expertenebene weiter gehen, erklärten beide Seiten anschließend.

Zuversicht stiftete vor allem Kommissionschef Jean-Claude Juncker,
der im britischen Sender Sky News sagte: «Wir können einen Deal
schließen.» Dafür werde er alles tun, denn ein ungeregelter Brexit
wäre eine Katastrophe. Auf die Frage, ob die Chance bei mehr als 50
Prozent liege, sagte Juncker allerdings: «Ich weiß es nicht.»

Die britische Regierung hatte diese Woche erstmals Dokumente zu ihren
Änderungswünschen am Austrittsvertrag nach Brüssel geschickt. Dabei
geht es um die Streichung der Klausel für eine offene irische Grenze,
des sogenannten Backstops. Die britische Regierung lehnt ihn ab, die
EU fordert zumindest einen gleichwertigen Ersatz.

Die aus London geschickten Ideen-Papiere erfüllen dies aus EU-Sicht
nicht. Die Kommission sieht keines der Ziele des Backstops erfüllt,
wie sie EU-Diplomaten am Freitag hinter verschlossenen Türen
erläuterte. Zudem seien die britischen Vorschläge rechtlich nicht
umsetzbar, hieß es.

Öffentlich äußerte sich die Kommission so: «Es ist entscheidend, da
ss
es eine realisierbare und rechtlich umsetzbare Lösung im
Austrittsabkommen gibt. Wir bleiben willens und bereit, jegliche
Vorschläge zu prüfen, die alle Ziele des Backstops erfüllen.» Aus
diplomatischen Kreisen in Brüssel hieß es: «Wir sind noch weit von
einer Einigung entfernt, die die Roten Linien der EU einhält, aber es
könnte ein Fenster der Gelegenheit für einen Deal geben.»

Neu ist seit einigen Tagen der Wille zu intensiven Verhandlungen und
die Abkehr der EU von der Linie, am Austrittsabkommen könne gar
nichts mehr geändert werden. Barclay verwies nach seinem Treffen mit
Barnier auf den Einigungswillen: «Es bleibt noch eine Menge Arbeit,
aber es gibt das gemeinsame Ziel, einen Deal zu erreichen.» Die
Verhandlungen seien ernsthaft. «Wir gehen mit Schwung voran», sagte
der Brexit-Minister.

Als inoffizielle Frist für eine Einigung gilt der EU-Gipfel am 17.
und 18. Oktober. Nächste Woche wird es am Rande der
UN-Vollversammlung auch etliche Brexit-Gespräche geben.

Der irische Außenminister Simon Coveney sagte der BBC, die Stimmung
sei besser, aber es gebe noch immer eine «weite Kluft» zwischen der
britischen und der EU-Position. «Wir warten noch immer auf ernsthafte
Vorschläge der britischen Regierung». Was bislang vorgelegt wurde,
reiche nicht aus, um den Backstop zu ersetzen.

«Wir alle wollen eine Lösung finden, wir wollen ein Abkommen
erreichen und wir wollen Großbritannien ermöglichen, die EU in einer
geordneten und vernünftigen Weise zu verlassen», sagte Coveney. «Wir

können aber nicht zulassen, dass Irland dabei zum Kollateralschaden
wird.»

Die EU will eine feste Grenze mit Kontrollen zwischen dem Mitglied
Irland und dem britischen Nordirland ausschließen, weil eine neue
Teilung der Insel politische Unruhen auslösen könnte. Doch will die
EU auch ihren Binnenmarkt vor dem unkontrollierten Zufluss von Waren
schützen, die Steuerregeln oder EU-Standards unterlaufen oder Seuchen
einschleppen könnten.

Der Backstop sieht deshalb vor, dass ganz Großbritannien nach dem
Brexit in einer Zollunion mit der EU bleibt, bis eine bessere Lösung
gefunden ist. Der britische Premier Boris Johnson will das nicht,
weil sein Land dann keine eigene Handelspolitik machen könnte. Als
Ersatz erwägt seine Regierung offenbar einen Mix aus dezentralen
Kontrollen, neuer Technologie und der Einhaltung von EU-Tier- und
Hygienestandards in Nordirland.