Farage knickt im Streit mit Tories um Brexit-Wähler teilweise ein

11.11.2019 19:30

Lange hat der Chef der Brexit-Partei die Konservativen vor sich her
getrieben. Doch mit einem Hardliner wie Johnson an der Spitze der
Tories fiel ihm das zunehmend schwer. Ein Wahlsieg am 12. Dezember
ist dem Premier trotzdem nicht sicher.

Hartlepool/Wolverhampton (dpa) - Die Brexit-Partei von Nigel Farage
will bei der Parlamentswahl am 12. Dezember nun doch nicht in fast
allen britischen Wahlkreisen antreten. «Die Brexit-Partei wird sich
nicht um die 317 Mandate bewerben, die bei der vergangenen Wahl von
der Konservativen Partei gewonnen wurden», sagte Farage am Montag bei
einer Wahlkampfveranstaltung in der nordostenglischen Hafenstadt
Hartlepool. Stattdessen wolle sie sich ganz auf die Wahlkreise
konzentrieren, die im Parlament bislang von Labour und
pro-europäischen Parteien vertreten werden.

Bis vor Kurzem hatte Farage Schützenhilfe für die Tories von
Premierminister Boris Johnson ausgeschlossen, solange die sich nicht
zu einem EU-Austritt ohne Abkommen bekennen. Johnson hofft bei der
Wahl auf eine stabile Mehrheit, um seinen nachgebesserten Brexit-Deal
durchs Unterhaus zu bringen. Den hatte Farage bislang abgelehnt mit
der Begründung, es handele sich nicht um einen «echten Brexit».
Konservative Politiker fürchteten, die Konkurrenz von rechts könnte
sie wichtige Stimmen kosten.

Ausgelöst hat den Sinneswandel bei Farage angeblich eine Äußerung
Johnsons. Der Regierungschef habe sich dazu bekannt, die künftigen
Beziehungen mit der EU im Rahmen eines Freihandelsabkommens nach dem
Vorbild Kanadas zu gestalten, sagte Farage. «Das hat für mich einen
großen Unterschied gemacht.» Bislang sei immer die Rede von einer
engen und besonderen Partnerschaft gewesen.

Das könnte aber auch eine Ausrede sein: Farage stand unter heftigem
Druck aus den eigenen Reihen. Erst am Wochenende hatte sich sein
langjähriger Wegbegleiter, der Geschäftsmann Arron Banks, für einen
Pakt mit den Tories ausgesprochen. «Es ist Zeit für Nigel und seine
Unterstützer realistisch zu werden», schrieb er in einem Gastbeitrag
in der «Daily Mail» und deutete an, es habe Gespräche zwischen den
Konservativen und der Brexit-Partei gegeben.

Johnson trat Spekulationen entgegen, wonach er Farage eine
Gegenleistung in Aussicht gestellt haben könnte - etwa eine Berufung
ins Oberhaus. «Absolut nicht», sagte der Regierungschef der BBC
während eines Wahlkampftermins in Wolverhampton nahe Birmingham. Er
freue sich aber über die Wahrnehmung, «dass es nur einen Weg gibt, um
uns aus der EU rauszubringen. Und das ist, für uns zu stimmen,
konservativ zu wählen».

Ob das Entgegenkommen Farages für Johnson einen entscheidenden
Unterschied macht ist fraglich. Der Premier ist für einen klaren Sieg
auf die Stimmen von Brexit-Befürwortern in traditionellen
Labour-Hochburgen wie dem Nordosten Englands und den West Midlands um
Birmingham angewiesen. Doch die Erwartung ist, dass enttäuschte
Labour-Wähler eher zur Brexit-Partei von Farage überlaufen könnten
als zu den verhassten Tories. Dann könnte es möglicherweise wieder
keine klare Mehrheit geben.

Auch auf der anderen Seite des politischen Spektrums hatte es in der
vergangenen Woche einen Wahlpakt gegeben. Die Liberaldemokraten
erklärten, mit den Grünen und der walisischen Plaid-Cymru-Partei in
60 Wahlkreisen Absprachen getroffen zu haben. Alle drei Parteien
wollen den Brexit verhindern. Doch ohne eine Kooperation mit der
größten Oppositionspartei Labour dürfte der Effekt verschwindend
gering sein. Die drei kleineren Parteien hatten zuletzt gerade einmal
25 von 650 Mandaten im Parlament in Westminster inne.