EuGH urteilt über Kennzeichnung von Waren aus israelischen Siedlungen

12.11.2019 05:15

Verbraucher müssen nach EU-Recht informiert werden, woher
Lebensmittel im Laden stammen. Aber welche Herkunftsbezeichnung gilt
für Waren aus den vor Jahrzehnten von Israel besetzten Gebieten? Der
Europäische Gerichtshof urteilt in einem brisanten Streit.

Luxemburg (dpa) - Im Streit über die Kennzeichnung von Lebensmitteln
aus den 1967 von Israel besetzten Gebieten fällt der Europäische
Gerichtshof (EuGH) am Dienstag ein Grundsatzurteil. Frankreich
verlangt nach einem Erlass von 2016 einen Hinweis, falls Obst,
Gemüse, Wein oder andere Produkte aus einer israelischen Siedlung in
diesen Gebieten stammen. Eine jüdische Organisation und ein
Unternehmer haben dagegen geklagt. Der EuGH soll klären, ob eine
solche Vorgabe nach EU-Recht nötig oder zumindest zulässig ist.

Die Frage ist politisch brisant. Israel hält eine Kennzeichnung von
Siedlerprodukten für diskriminierend und sieht sie höchst kritisch.
Ein EuGH-Gutachter hatte sie dagegen im Juni für rechtens erachtet.
EU-Recht verlange die Angabe des geografischen Namens und
gegebenenfalls die Angabe, dass das Erzeugnis aus einer israelischen
Siedlung stamme, hieß es damals. Das Gutachten ist für die Richter in
Luxemburg nicht bindend, häufig folgt der EuGH seinen Experten aber.

Israel hatte 1967 im Sechstagekrieg unter anderem das Westjordanland,
Ost-Jerusalem und die Golanhöhen erobert. Die Vereinten Nationen
stufen die Gebiete als besetzt ein, die Palästinenser fordern sie für
einen eigenen Staat Palästina. Doch leben allein im Westjordanland
und in Ost-Jerusalem mittlerweile mehr als 600 000 israelische
Siedler.

Die EU sieht die israelischen Siedlungen in den besetzen Gebieten
nicht als Teil des israelischen Staatsgebiets. Dort hergestellte
Waren dürften nach EU-Recht nicht mit der Herkunftsbezeichnung Israel
versehen werden, wie das Bundesagrarministerium erläuterte. Die
EU-Kommission hatte schon 2015 ihre rechtliche Sicht erläutert und
Vorgaben für die Kennzeichnung von Siedlerprodukten gemacht.

Ein Aspekt bei dem Streit ist die Sorge, dass Verbraucher Produkte
aus den von Israel besetzten Gebieten aus politischen Gründen meiden
könnten. International ruft die sogenannte BDS-Bewegung dazu auf,
keine israelischen Waren zu kaufen. BDS steht für Boykott,
Desinvestitionen und Sanktionen. Israel wirft der Bewegung vor, sie
sei antisemitisch und gehe einseitig gegen den jüdischen Staat vor.

Hintergrund ist letztlich der ungelöste Nahost-Friedensprozess. Der
UN-Sicherheitsrat hatte 2016 einen vollständigen Siedlungsstopp von
Israel gefordert. Siedlungen wurden in der Resolution 2334 als
Verstoß gegen internationales Recht und als großes Hindernis für
einen Frieden in Nahost bezeichnet.