EuGH: «Balsamico» aus Deutschland ist erlaubt Von Alkimos Sartoros, dpa

04.12.2019 14:45

Lebensmittel sind in Italien ein herausragender Wirtschafts- und
Tourismusfaktor. Eine Produzentenvereinigung aus Modena beanspruchte
nun die Nutzung des Begriffs «Balsamico» für sich. Zu Recht?

Luxemburg (dpa/lsw) - Essig-Produkte aus Deutschland dürfen nach
einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) weiterhin als
«Balsamico» vertrieben werden. «Balsamico» sei kein speziell
geschützter Begriff, befanden die obersten EU-Richter am Mittwoch in
Luxemburg (Rechtssache C-432/18). Deutsche Hersteller zeigten sich
zufrieden.

Hintergrund des Urteils war ein Streit zwischen italienischen
Produzenten und einem deutschen Unternehmen. Die Firma Balema aus
Kehl (Ortenaukreis) vertreibt seit Jahren in Deutschland eigene, auf
Essig basierende Produkte unter der Bezeichnung «Balsamico» und
«Deutscher Balsamico».

Die italienische Produzentenvereinigung «Consor041445 zio Tutela
Aceto Balsamico di Modena» hatte gefordert, die Verwendung des
Begriffs «Balsamico» zu unterlassen. Sie begründete dies damit, dass

die Bezeichnung gegen die in der Europäischen Union geschützte
geografische Angabe «Aceto Balsamico di Modena» verstoße.

«Aceto Balsamico di Modena» ist in der EU seit 2009 eingetragen. Mit
derartigen geschützten Lebensmittelbezeichnungen sollen regionale
Spezialitäten in der EU vor widerrechtlicher Aneignung und billiger
Nachahmung geschützt werden. Auch mit Staaten außerhalb Europas hat
die EU Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung geografischer
Bezeichnungen geschlossen - zuletzt etwa mit China.

In Italien ist Essen einer der wichtigsten Wirtschafts- und
Tourismusfaktoren. «Made in Italy» gilt als Qualitätssiegel für
Lebensmittel. Die dortigen Lebensmittelkonsortien sind einflussreiche
Verbünde. Das Land weist auch die meisten Lebensmittel mit
geschützter Herkunftsangabe in der EU auf - vor Frankreich. Zu den
mehr als 800 Produkten gehören Wein aus Chianti und Schinken aus
Parma genauso wie unbekanntere Produkte wie Linsen aus Norcia in
Umbrien oder Basilikum aus Genua.

Unlängst forderte das Konsortium zum Schutz des Traditionellen
Italienischen Espressos (CTCEIT) zudem, italienischen Espresso zum
Unesco-Weltkulturerbe zu ernennen.

Im «Balsamico»-Streit entschied der EuGH nun allerdings, dass die
Bezeichnung «Aceto Balsamico di Modena» nur als Ganzes geschützt sei.

Der Schutz erstrecke sich nicht auf die Verwendung ihrer einzelnen
nicht-geografischen Begriffe wie «Aceto» oder «Balsamico».

«Aceto» sei ein üblicher Begriff und «balsamico» ein Adjektiv, da
s
üblicherweise zur Bezeichnung eines durch einen süßsauren Geschmack
gekennzeichneten Essigs verwendet werde, führten die Richter weiter
aus. Beide Begriffe tauchten zudem in den eingetragenen Bezeichnungen
«Aceto balsamico tradizionale di Modena» und «Aceto balsamico
tradizionale di Reggio Emilia» auf, ohne dass ihre Verwendung den
jeweiligen Schutz beeinträchtige.

Balema-Chef Theo F. Berl zeigte sich zwar grundsätzlich froh über die
Entscheidung zu seinen Gunsten. Wenig glücklich ist er nach eigener
Aussage allerdings damit, dass die Qualität eines Produktes, das den
Namen «Balsamico» trägt, dabei keine Rolle gespielt hat. Über
Qualität sage das Urteil nichts aus, und jeder könne sein Produkt
«Balsamico» nennen, kritisierte er. Er will seinen Essig daher
künftig anders nennen.

Vom deutschen Lebensmittelverband Kulinaria hieß es, das Urteil
bringe den deutschen Herstellern Rechtssicherheit. «Der Begriff
Balsamico war schon lange vor Erlass der Schutzverordnung im Jahr
2009 in den allgemeinen Sprachgebrauch einiger anderer
Mitgliedstaaten eingegangen», sagte Verbandspräsident Stefan Durach.
«Mit der Entscheidung ist der Weg für «Deutschen Balsamico» oder
«Balsamessig» nun endgültig frei.»