UNHCR: Seehofers Deal zur Seenotrettung führt nicht zu «Pull-Effekt»

04.12.2019 18:03

Brüssel (dpa) - Die zwischen Deutschland und weiteren EU-Staaten
gefundene Einigung zur Seenotrettung führt nach Ansicht der
UN-Flüchtlingsorganisation (UNHCR) nicht dazu, dass sich mehr
Migranten auf den Weg nach Europa machen. «Dafür haben wir keine
Hinweise», sagte der UNHCR-Beauftragter für die Situation der
Flüchtlinge auf der zentralen Mittelmeerroute, Vincent Cochetel, am
Mittwoch in Brüssel. Die Zahl der Abfahrten von der Küste des
Bürgerkriegslands Libyen lasse nicht auf einen sogenannten
Pull-Effekt schließen.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte sich im September mit
seinen Kollegen aus Frankreich, Italien und Malta auf ein Verfahren
bei der Seenotrettung im zentralen Mittelmeer verständigt. Danach
sollten private Rettungsschiffe mit geretteten Migranten in Italien
oder Malta anlegen dürfen. Die Menschen sollten dann innerhalb von
vier Wochen auf andere EU-Staaten verteilt werden. Seehofer hatte
zugesagt, Deutschland könne ein Viertel der Migranten aufnehmen.

Dafür war der CSU-Politiker besonders von Unionskollegen kritisiert
worden. Sie argumentierten, deswegen würden sich mehr Menschen auf
den Weg nach Europa machen. Cochetel betonte jedoch, dies sei eher
der Fall, wenn das Meer ruhig und somit besser für die Überfahrt mit
einem Boot sei.

Seinen Angaben zufolge haben 2019 bislang rund 50 000 Migranten
versucht, Libyen über das zentrale Mittelmeer Richtung Europa zu
verlassen. 56 Prozent von ihnen wurden demnach von der libyschen
Küstenwache abgefangen und zurückgebracht. Rund die Hälfte davon
landete in Lagern, deren Zustand Cochetel als «schlecht bis
schrecklich» beschrieb. Der Rest sei fortgeschickt worden - und wohl
untergetaucht.

In den vergangenen zwei bis drei Monaten sei es vermehrt vorgekommen,
dass Migranten versuchten, in eines der Lager zu gelangen, weil es
dort sicherer für sie sei. «Außerhalb der Auffanglager ist es für
manche Nationalitäten sehr gefährlich», sagte Cochetel - etwa für
Menschen aus dem Mittleren Osten.

Libyen ist eines der Haupttransitländer für Flüchtlinge aus Afrika,
die nach Europa streben. Die EU unterstützt die Libyer darin, die
Migranten zurück in das Bürgerkriegsland zu bringen. In den Lagern
drohen ihnen nach Angaben von Hilfsorganisationen Folter, Sklaverei
und Missbrauch. Deshalb rief Cochetel die EU-Staaten am Mittwoch
dazu, mehr Plätze für die Umsiedlung von Flüchtlingen anzubieten.