Wahl in Großbritannien: Die wichtigsten Köpfe

05.12.2019 09:32

Johnson, Corbyn, Swinson und Co. - wer kann nach der Parlamentswahl
in Großbritannien jubeln? Der Ausgang der Wahl könnte auch darüber
entscheiden, wie es beim Brexit weitergeht.

London (dpa) - Die Briten sind am kommenden Donnerstag (12. Dezember)
zum dritten Mal innerhalb von fünf Jahren dazu aufgerufen, an die
Wahlurnen zu gehen. Das sind die wichtigsten Akteure:

Boris Johnson:

Der Premierminister wirbt mit zwei einfachen Botschaften. Er will den
Brexit endlich durchziehen - und viel Geld in den öffentlichen Dienst
und in die Infrastruktur pumpen. Der nationale Gesundheitsdienst
(NHS) soll erhebliche Mittel erhalten, beispielsweise für neue
Kliniken. Außerdem will er Tausende Polizeibeamte einstellen und in
Schulen investieren. Wie das finanziert werden soll, ist ein Rätsel,
denn gleichzeitig verspricht er Steuersenkungen. Der Regierungschef
zielt damit klar auf Brexit-Wähler aus dem linken Spektrum. Johnson
hat kaum Aussicht, den Liberaldemokraten oder der Schottischen
Nationalpartei (SNP) Mandate abzujagen. Um eine Mehrheit zu
erreichen, muss er Labour-Mandate im Kernland der Sozialdemokraten im
Nordosten Englands und den West Midlands um Birmingham hinzugewinnen.

Jeremy Corbyn:

Der Altlinke will den Brexit vor allem aus dem Weg haben, um seine
sozialpolitische Agenda durchzubringen. Er hat vor, sein eigenes
Austrittsabkommen auszuhandeln und strebt dabei eine sehr viel engere
Beziehung an die EU an als Johnson. Danach sollen die Briten in einer
zweiten Volksabstimmung zwischen einem Brexit zu diesen Bedingungen
und dem Verbleib in der EU wählen. Alles soll in nur sechs Monaten
über die Bühne gehen. Corbyn plant, große Teile der Grundversorgung -

beispielsweise Energie- und Wassernetze sowie Post und Eisenbahn -
wieder unter staatliche Kontrolle zu bringen. Unternehmerverbände
laufen dagegen Sturm. Sie fürchten, die zur Finanzierung notwendigen
Steuererhöhungen könnten die Konjunktur abwürgen. Eine Chance,
Premier zu werden, hat er nur mit einer Minderheitsregierung mit
Hilfe der Schottischen Nationalpartei SNP. Der Preis dafür wäre ein
zweites Unabhängigkeitsreferendum in dem nördlichen Landesteil.

Jo Swinson:

Die junge Chefin der Liberaldemokraten hat sich hohe Ziele gesteckt.
Sie will als Premierministerin werden. Angesichts des britischen
Wahlrechts, das die beiden großen Parteien bevorzugt, scheint das
außer Reichweite zu sein. Nach anfänglichem Optimismus werden die
Chancen der LibDems, sich bei der Wahl erheblich zu verbessern, nicht
mehr als besonders hoch eingestuft. Eine Allianz mit den ebenfalls
proeuropäischen Grünen und der walisischen Partei Plaid Cymru in 60
Wahlbezirken soll die Chancen auf Sitze erhöhen, doch die beiden
Partner haben kaum Sitze in Westminster. Eine Koalition mit den
Konservativen oder den Sozialdemokraten schließt Swinson strikt aus.
Johnson und Corbyn seien beide nicht für das Amt des Premierministers
geeignet, sagt Swinson. Die Liberalen setzen ganz auf das Thema
Brexit - der soll nach ihrem Willen komplett abgesagt werden.

Nigel Farage:

Der Chef der Brexit-Partei hat sich zum Ärger vieler Brexit-Hardliner
bei den Tories gegen das Austrittsabkommen Johnsons gestellt. Seiner
Meinung nach wäre das kein echter Brexit. Farage zog jedoch seine
Kandidaten in Wahlkreisen zurück, die bei der vergangenen Wahl von
den Tories gewonnen wurden. In Labour-Wahlkreisen tritt die
Brexit-Partei aber an. Aussichten auf Mandate hat sie kaum. Farage
will den Sozialdemokraten Wähler abwerben, die für den Brexit
gestimmt haben. Konservative fürchten aber, die Konkurrenz von rechts
könnte das Votum der Brexit-Wähler spalten und Labour am Ende sogar
helfen. Im britischen Mehrheitswahlrecht zieht nur der Kandidat ins
Parlament ein, der in seinem Wahlkreis die meisten Stimmen erringt.
Der Premierminister muss selbst Dutzende Labour-Mandate gewinnen, um
eine absolute Mehrheit zu erreichen. Farage selbst tritt nicht an.

Nicola Sturgeon:

Die Chefin der Schottischen Nationalpartei (SNP) sitzt nicht im
Parlament in Westminster. Doch anders als die wechselnden
Fraktionschefs in London ist die Regierungschefin in Edinburgh eine
Konstante in der Partei. Sie kennt nur ein Ziel und das lautet, so
schnell wie möglich ein zweites Unabhängigkeitsreferendum für ihren
Landesteil zu erreichen. Bei einer ersten Volksabstimmung im Jahr
2014 stimmten 55 Prozent der Schotten gegen die Abspaltung von der
EU. Der einzige Weg zu einem neuen Referendum führt über einen Pakt
mit Labour. Bei der Parlamentswahl 2017 musste die SNP einige
Rückschläge hinnehmen. Sie verlor ein Drittel ihrer Sitze. Doch einen
Großteil könnte sie Umfragen zufolge womöglich zurückgewinnen.