Letzte Chance für Corbyn? TV-Duell im britischen Wahlkampf

06.12.2019 05:10

Eine Woche vor der Parlamentswahl in Großbritannien am 12. Dezember
führen die Konservativen von Premierminister Boris Johnson mit großem
Abstand. Labour-Chef Jeremy Corbyn steht unter Druck, in die
Offensive zu gehen.

Southampton (dpa) - Die beiden Spitzenkandidaten im britischen
Wahlkampf, Premierminister Boris Johnson und Oppositionsführer Jeremy
Corbyn von der Labour-Partei, treffen an diesem Freitag in einem
TV-Duell aufeinander. Es ist die letzte und möglicherweise
entscheidende TV-Debatte im britischen Wahlkampf.

Weniger als eine Woche vor der Parlamentswahl am 12. Dezember gilt
das Duell im BBC-Fernsehen (21.30 Uhr MEZ) als letzte Chance für den
Labour-Chef, das Ruder noch einmal herumzureißen. Johnsons
Konservative führen in den Umfragen mit großem Abstand vor den
Sozialdemokraten. Die beiden müssen sich in der einstündigen Sendung
Fragen aus dem Publikum stellen.

Wichtigstes Thema im Wahlkampf ist der geplante Brexit. Johnson will
das Land mit seinem neu verhandelten Austrittsabkommen zum 31. Januar
2020 aus der Europäischen Union führen. Dafür braucht er eine stabile

Mehrheit. Seine Vorgängerin Theresa May war mit ihrem Deal drei Mal
im Parlament gescheitert.

Corbyn will dagegen den Austritt noch einmal verschieben und
innerhalb von drei Monaten ein neues Abkommen mit Brüssel verhandeln.
Ihm schwebt ein Brexit mit sehr enger Bindung an die EU vor. Seinen
Deal will er den Briten in einem Referendum zur Abstimmung vorlegen.
Die Alternative wäre ein Verbleib in der Staatengemeinschaft. Corbyn
selbst will dabei neutral bleiben. Labour hat kaum Aussichten auf
eine eigene Mehrheit und müsste darauf hoffen, nach der Wahl mithilfe
von kleineren Parteien eine Minderheitsregierung bilden zu können.

Das zweite wichtige Thema im Wahlkampf lautet Gesundheit. Beide
Politiker versprechen massive Investitionen in den maroden Nationalen
Gesundheitsdienst (NHS). Geplagt werden sowohl Corbyn als auch
Johnson zudem von Antisemitismus- und Rassismusvorwürfen. Dem
Labour-Chef wird seit langem vorgehalten, antisemitischen Tendenzen
in seiner Partei nicht entschieden genug entgegenzutreten. Einige
halten ihn sogar selbst für antisemitisch. Johnson sieht sich immer
wieder dem Vorwurf des Rassismus und der Islamophobie ausgesetzt.

Eine Woche nach dem Anschlag bei der London Bridge dürfte auch das
Thema vorzeitige Haftentlassungen eine Rolle spielen. Attentäter
Usman Khan hatte am 29. November zwei Menschen erstochen und drei
verletzt, bevor er auf der London Bridge von Zivilisten überwältigt
und von der Polizei erschossen wurde. Er trug eine
Sprengstoffgürtel-Attrappe. Der wegen früherer Anschlagspläne bereits

verurteilte Terrorist war vor einem Jahr auf Bewährung routinemäßig
vorzeitig entlassen worden. Johnson forderte umgehend härtere Strafen
für Gewalt- und Schwerverbrecher. Corbyn äußerte sich
zurückhaltender.