EU-Hilfen für Kohleregionen: Deutschland unter den größten Gewinnern

15.01.2020 18:19

Bei der europäischen Klimawende geht es auch um Milliarden an
Unterstützung und Investitionshilfen. Deutschland ist als Geldgeber
gefragt - darf aber auch auf große Summen hoffen.

Brüssel/Straßburg (dpa) - Deutschland und Polen sollen nach Plänen
der EU-Kommission am meisten von Milliardenhilfen für die Klimawende
in Kohleregionen profitieren. Von eingeplanten 7,5 Milliarden Euro
könnte Polen allein zwei Milliarden einstreichen, bestätigte die
Kommission am Mittwoch. Deutschland läge mit 877 Millionen Euro auf
Platz zwei. Doch ist die Verteilung des Geldes ebenso umstritten wie
die Finanzierung des europäischen «Green Deal». Die Grünen verlange
n
mehr Geld aus Deutschland dafür.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte im Dezember das
Ziel gesetzt, die Europäische Union bis 2050 «klimaneutral» zu
machen, dann also keine neuen Treibhausgase mehr in die Atmosphäre zu
blasen. Am Dienstag stellte die Kommission dafür einen
Investitionsplan über eine Billion Euro bis 2030 vor.

Teil der Pläne sind Hilfen für Regionen, für die der Umbau der
Wirtschaft besonders hart wird. Aus dem Grundstock von 7,5 Milliarden
Euro aus dem EU-Haushalt sollen über Eigenbeiträge der begünstigen
Staaten und Förderung von Privatinvestoren über 100 Milliarden Euro
in den Jahren 2021 bis 2027 werden. Aus dem deutschen Anteil von
knapp zwölf Prozent am Grundkapital könnten nach Berechnungen der
EU-Kommission etwa 13,4 Milliarden Euro an Investitionen werden, aus
dem polnischen Anteil rechnerisch etwa 27,3 Milliarden.

Der Vorschlag zur Verteilung dieser Hilfen trifft jedoch im Kreis der
EU-Staaten auf Kritik, wie ein EU-Diplomat sagte. «Es stehen noch
schwierige Diskussionen bevor.» Einige Länder sind dem Vernehmen nach
unzufrieden, dass ausgerechnet reiche EU-Staaten wie Deutschland so
viel Unterstützung zu erwarten haben. Damit bleibt weniger für
andere. Nach bisherigen Plänen könnte Rumänien mit 757 Millionen Euro

rechnen, Tschechien mit 581 Millionen, Bulgarien mit 458 Millionen,
Frankreich mit 402 Millionen und Italien mit 364 Millionen Euro.

Polen ist seinerseits ein besonderer Fall: Das Land hatte sich im
Dezember als einziges der 28 EU-Staaten gegen den Plan gestellt, die
Wirtschaft bis 2050 klimaneutral zu machen. Da Polen bisher zu 80
Prozent auf Kohlestrom vertraut, fällt ihm der Umbau besonders
schwer. Die Hilfen könnten Warschau womöglich umstimmen.

Alle EU-Gelder für den «Green Deal» hängen aber von einer Einigung

auf den nächsten Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis 2027 ab - und
die ist noch nicht in Sicht. Deutschland beharrt als größter
Nettozahler darauf, deutlich weniger Geld in den EU-Haushalt fließen
zu lassen als von der EU-Kommission und vom Europaparlament
gefordert.

«Die Bundesregierung macht sich unglaubwürdig, wenn sie den Green
Deal unterstützen, aber nicht ausreichend finanzieren will»,
kritisierte der Grünen-Europapolitiker Sven Giegold und sprach von
einer Blockade-Haltung. «Deutschland sollte nun ein Zeichen an den
Rest Europas senden und mehr Geld für den Green Deal bereitstellen.»

Das Europaparlament ist beim Klimaschutz ehrgeiziger als die
EU-Kommission und die EU-Staaten. In einer am Mittwoch
verabschiedeten Resolution zum «Green Deal» forderte die große
Mehrheit der Abgeordneten eine deutliche Verschärfung des Klimaziels
für 2030. Die Treibhausgase sollten dann um 55 Prozent unter dem Wert
von 1990 liegen - bisher ist das Ziel 40 Prozent.

Landwirtschaft, Handel, wirtschaftspolitische Steuerung und andere
Politikbereiche müssten auf den Green Deal ausgerichtet werden, sagte
der Vorsitzende des Umweltausschusses, der Liberale Pascal Canfin.
Der Grünen-Europapolitiker Michael Bloss sagte: «Wir fordern, die
Hälfte des mehrjährigen Finanzrahmens in Klimaschutzmaßnahmen zu
investieren.»