Verfassungsexperten fordern Stopp der polnischen Justizreform

16.01.2020 14:09

Straßburg/Warschau (dpa) - Das jüngste Gesetzesvorhaben der
nationalkonservativen Regierung in Polen untergräbt nach Ansicht von
Verfassungsexperten weiter die Unabhängigkeit polnischer Richter. Das
geplante Disziplinierung-Gesetz beschneide unter anderem die
Meinungs- und Vereinigungsfreiheit von Richtern, teilte die
Venedig-Kommission des Europarates am Donnerstag in einer dringenden
Stellungnahme mit.

Das Vorhaben der Regierungspartei PiS sieht unter anderem vor, dass
Richter künftig mit Geldstrafen, Herabstufung oder Entlassung rechnen
müssen, wenn sie Legalität oder Entscheidungskompetenz eines anderen
Richters, eines Gerichts oder einer Kammer infrage stellen. Die
zuständige EU-Kommissarin Vera Jourova hatte Polen jüngst dazu
aufgefordert, das Projekt auf Eis zu legen. Der polnische Senat, in
dem die Opposition die Mehrheit hat, rief die Venedig-Kommission an.

Diese führte nun aus, das Gesetzesvorhaben bringe Richter in eine
«unmögliche Situation». So drohten ihnen Disziplinarverfahren für
Entscheidungen, die aufgrund der Europäischen
Menschenrechtskonvention oder unter EU-Recht erforderlich seien.

Kritisch sehen die Verfassungsexperten zudem, dass die geplante
Reform die Teilhabe von Richtern an der Rechtspflege reduziere und
der Einfluss des Justizministers wachse. Das Parlament in Warschau
solle das Gesetz nicht verabschieden, empfahl die Venedig-Kommission.

Seit die PiS 2015 in Polen an die Macht kam, hat sie das Justizwesen
massiv umgebaut.