EU startet vor Libyen-Gipfel Diskussion über Militäreinsatz

17.01.2020 17:28

Vor der Libyen-Konferenz am Sonntag bringen sich die Akteure in
Position - auch solche, die gar nicht eingeladen sind. Es geht um
Frieden, um Waffen, um Flüchtlinge - und Bodenschätze im Mittelmeer.

Brüssel/Berlin/Athen (dpa) - Kurz vor dem Libyen-Gipfel in Berlin hat
der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell einen Militäreinsatz der
Europäischen Union in dem Bürgerkriegsland ins Gespräch gebracht.
«Wenn es einen Waffenstillstand in Libyen gibt, dann muss die EU
bereit sein, bei der Umsetzung und der Überwachung dieses
Waffenstillstandes zu helfen - eventuell auch mit Soldaten», sagte
der Chefdiplomat der Staatengemeinschaft dem «Spiegel» am Freitag.

Griechenland erklärte sich prompt bereit, sich an einem solchen
Einsatz beteiligen zu wollen. Gleichzeitig beschwerte sich die
griechische Regierung in Berlin, dass sie nicht zu dem Gipfel
eingeladen wurde. Der Grund: Die Griechen befürchten wachsenden
Einfluss der Türkei im Mittelmeer. Der griechische Ministerpräsident
Kyriakos Mitsotakis zeigte sich in einem Telefonat mit
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über «destabilisierende Aktionen
der Türkei» besorgt.

Am Sonntagnachmittag empfängt Merkel im Kanzleramt Vertreter aus mehr
als zehn Ländern, die Einfluss auf den Libyen-Konflikt haben. Unter
anderen werden der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, der
russische Staatschef Wladimir Putin und US-Außenminister Mike Pompeo
in Berlin erwartet.

In dem nordafrikanischen Land tobt seit Jahren ein Bürgerkrieg. Die
weitgehend machtlose Regierung in Tripolis unter Ministerpräsident
Fajis al-Sarradsch wird dabei von den Truppen des Generals Chalifa
Haftar bedrängt, der in Ostlibyen seine wichtigste Machtbasis hat.
Haftar und Verbündete beherrschen weite Teile des Landes, die
Regierung nur kleine Gebiete im Nordwesten. Al-Sarradsch und Haftar
wollen ebenfalls zur Konferenz kommen. Eine abschließende
Teilnehmerliste gab es bis zum späten Freitagnachmittag aber noch
nicht.

In dem Konflikt unterstützen die Türkei und Katar die Regierung von
Al-Sarradsch. Russland, Ägypten, Saudi-Arabien und die Vereinigten
Arabischen Emirate (VAE) stehen hinter Haftar. Borrell beklagte
mangelnden Einfluss der EU in der Libyen-Frage. Dem «Spiegel» sagte
er, zwar hätten Russland und die Türkei eine Waffenruhe für Libyen
vorbereitet. «Das ist potenziell eine gute Nachricht für die Menschen
in Libyen. Aber es ist nicht unbedingt eine Bestätigung von großem
Einfluss der EU.» Borrell forderte von den Europäern, das bestehende
UN-Waffenembargo durchzusetzen. Aktuell sei es «ineffektiv», da es
niemand kontrolliere.

Die Gästeliste der Konferenz sorgt seit Tagen für Unruhe. Zuerst
beschwerte sich Libyens Nachbarland Tunesien, dass es nicht
eingeladen wurde, dann Griechenland. Die Bundesregierung wollte den
Teilnehmerkreis nicht zu groß ziehen und beschränkte sich bei den
Einladungen auf die Länder, die von außen auf den Konflikt einwirken,
zum Beispiel durch Waffenlieferungen oder die Entsendung von
Söldnern.

Athen forderte von der Bundesregierung, bei der Konferenz deutlich
auf die Annullierung eines Abkommens der Türkei mit Tripolis über
Seegrenzen im Mittelmeer zu dringen. «Die EU hat in dieser Sache
bereits klar Position bezogen», sagte Außenminister Nikos Dendias am
Freitag nach seinem Treffen mit Haftar Athen. Mit dem Abkommen teilen
die Türkei und die Tripolis-Regierung Regionen im Mittelmeer unter
sich auf - unter anderem Gebiete, die Griechenland für sich
beansprucht und in denen Rohstoffe vermutet werden. Erdogan hatte
erst am Donnerstag angekündigt, «so schnell wie möglich» mit Such-

und Bohrungsarbeiten zu beginnen.

Haftars Libysche Nationalarmee (LNA) twitterte im Anschluss an die
Gespräche in Athen: «Die Berliner Konferenz wäre ohne die Beteiligung

Griechenlands und Saudi-Arabiens weder politisch korrekt noch
valide.» Die Länder seien direkt betroffene Nationen. Auch Katar soll
nicht glücklich darüber sein, fernbleiben zu müssen.