Britischer Finanzminister: Keine Angleichung an EU-Regeln nach Brexit

18.01.2020 17:27

Unternehmerverbände in Großbritannien zeigen sich vor dem Brexit
besorgt. Sie fürchten hohe Kosten durch Handelsbarrieren und warnen
vor Preiserhöhungen für britische Verbraucher. Doch ihre Forderungen
angesichts der Befürchtungen finden beim Finanzminister kein Gehör.

London (dpa) - Der britische Finanzminister Sajid Javid hat die
Wirtschaft in seinem Land aufgerufen, sich von der Forderung nach
einer Angleichung an EU-Regeln nach dem Brexit zu verabschieden. «Es
wird keine Angleichung geben, wir werden keine Empfänger von Regeln
sein, wir werden nicht im Binnenmarkt sein und wir werden nicht in
der Zollunion sein», sagte Javid der «Financial Times» in einem am
Samstag veröffentlichten Interview. Unternehmen müssten sich dieser
neuen Realität anpassen, so der Schatzkanzler. Immerhin hätten sie
nun drei Jahre gehabt, um sich auf eine Veränderung der
Handelsbeziehungen mit dem Kontinent einzustellen.

Unternehmerverbände reagierten mit Unverständnis. «Das stellt das
Totengeläut für den reibungslosen Handel dar», sagte der Chef des
Lebensmittelverbands in Großbritannien (Food and drink Federation),
Tim Rycroft. «Es wird bedeuten, dass Unternehmen sich auf teure neue
Kontrollen, Prozesse und Abläufe einstellen müssen.» Das könne zu
höheren Preisen für britische Verbraucher führen.

Der Chef des Verbands der Automobilhersteller und -händler in
Großbritannien (SMMT), Mike Hawes, warnte vor Milliardenkosten, die
durch auseinanderdriftende Standards in der EU und Großbritannien
entstehen könnten.

Auch die Generalsekretärin des Verbands der britischen Industrie
(Confederation of British Industry), Carolyn Fairbairn, zeigte sich
besorgt. Selbst wenn die Loslösung von EU-Regeln für einige
Unternehmen Vorteile bringe, sei die Anbindung an die EU-Standards
für viele andere wichtig, um Jobs und Wettbewerbsfähigkeit zu
erhalten. Das gelte vor allem in den wirtschaftlich am stärksten
benachteiligten Regionen des Landes.

Großbritannien soll die EU am 31. Januar verlassen. In einer
Übergangsphase bis Ende des des Jahres wollen beide Seiten ein
Abkommen über die neuen Beziehungen vereinbaren. Als Ziel hat London
ausgegeben, keine Zölle und mengenmäßigen Beschränkungen im Handel

einzuführen. Doch Brüssel will sich darauf nur einlassen, wenn sich
die Briten auch an EU-Standards in Sachen Umwelt, Arbeitnehmerrechte
und staatliche Wirtschaftshilfen einlassen. Zudem drohen so genannte
nicht-tarifäre Handelshemmnisse, wenn sich London nicht langfristig
zur Angleichung an EU-Produktstandards verpflichtet. Dann müssten
Unternehmen aufwendige Verfahren in Kauf nehmen, damit ihre Produkte
für den jeweils anderen Markt zugelassen werden.

Die Konjunktur in Schwung bringen will Javid mit großen Investitionen
von Seiten der Regierung, vor allem in die Infrastruktur der
wirtschaftlich abgehängten Regionen in den Midlands und dem Norden
des Landes. Auch in die Qualifizierung von Fachkräften solle künftig
deutlich mehr Geld gesteckt werden. Javid hofft, damit das zuletzt
schwache Wirtschaftswachstum und die schon lange niedrige
Produktivitätsrate in dem Land zu erhöhen.