Immer mehr Finanzinstitute bürden Sparern Strafzinsen auf

19.01.2020 18:00

Auf Erspartes kaum Zinsen mehr zu bekommen, ist für viele Bankkunden
ohnehin schon ein Ärgernis. Einige Institute greifen inzwischen aber
sogar zu Negativzinsen - und bitten die Sparer damit zur Kasse. Das
Finanzministerium sieht die Entwicklung kritisch.

Frankfurt/Main (dpa) - Zum Start ins neue Jahr Negativzinsen:
Mindestens 16 Institute, vor allem Volksbanken und Sparkassen, haben
nach Daten des Internetportals Verivox in den ersten Wochen 2020
Negativzinsen für Geldanlagen von Privatkunden eingeführt oder
bestehende Strafzinsen erhöht. «Die Wucht der Negativzinswelle hat in
diesem Jahr noch einmal deutlich zugenommen», sagte Oliver Maier,
Geschäftsführer der Verivox Finanzvergleich GmbH.

Maier wies darauf hin, dass die Einführung zunächst nur für Neukunden

gilt. Wolle eine Bank von Bestandskunden Strafzinsen erheben, müsse
sie dies mit den Betroffenen individuell vereinbaren.

Das Bundesfinanzministerium hat Negativzinsen für Bankkunden kritisch
im Blick. Auf Basis der geltenden Gesetzeslage sei es für Banken
zumindest mit hohen rechtlichen Risiken behaftet, innerhalb
bestehender Verträge Negativzinsen von Kunden zu verlangen, teilte
eine Sprecherin am Samstag auf Anfrage mit. Zuvor hatte die «Passauer
Neue Presse» über die Ergebnisse einer entsprechenden Prüfung des
Ministeriums berichtet.

Sogenannte «Negativzinsklauseln», die mittels einer Änderung der
Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) in bestehende Verträge
einfließen, dürften demnach nur mit ausdrücklicher Zustimmung des
Kunden zulässig sein. Die Finanzaufsicht Bafin verfüge «über
ausreichende aufsichtsrechtliche Instrumente, mit denen etwaige
systematische Verstöße gegen diese Rechtslage unterbunden werden
könnten», hieß es vom Ministerium. Die Bundesregierung beobachte
weiterhin die Situation, insbesondere in Bezug auf die tatsächlichen
Marktentwicklungen.

Nach Verivox-Daten, für die im Internet veröffentlichte Preisaushänge

von 800 Banken und Sparkassen ausgewertet wurden, verlangen aktuell
38 Institute Negativzinsen von Privatkunden - in der Regel für
Guthaben auf dem Tagesgeldkonto. Hinzu kämen sieben Finanzhäuser, bei
denen das Tagesgeldkonto Gebühren koste. Dadurch entstünden faktisch
Negativzinsen, auch wenn sie nicht als solche ausgewiesen seien.

In der Regel trifft es reiche Privatkunden. Verivox zufolge verlangen
derzeit allerdings fünf Institute für Tagesgeldeinlagen unter 100 000
Euro Negativzinsen - zwei davon verzichteten komplett auf einen
Freibetrag.

Durch die Strafzinsen versuchen die Banken, Kosten an die Kunden
weiterzugeben, die ihnen selbst durch die Negativzinsen der
Europäischen Zentralbank (EZB) entstehen. Parken Banken Geld bei der
Notenbank, müssen sie dafür derzeit 0,5 Prozent Minuszinsen zahlen.
Dadurch wollen die Währungshüter Anreize für die Kreditvergabe
schaffen, um die Konjunktur anzukurbeln.

Von Mitte Dezember 2018 bis Mitte Dezember 2019 mussten die deutschen
Finanzinstitute insgesamt rund 2,4 Milliarden Euro Zinsen für bei den
Währungshütern gebunkertes Geld berappen, wie aus Daten der Deutschen
Bundesbank hervorgeht, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegen.
Zuvor hatte die «Wirtschaftswoche» über die Zahlen berichtet.

Der CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach geht davon aus, dass
Bankkunden künftig noch mehr mit Strafzinsen konfrontiert sein
werden. «Die Spirale wird sich weiter drehen», sagte Michelbach der
«Passauer Neuen Presse» (Samstag). Dadurch leide das Vertrauen der
Menschen in die Soziale Marktwirtschaft. «Die Leute sagen, es kann
doch nicht sein, dass ich auf mein sauer verdientes Geld bei der Bank
auch noch selbst Zinsen zahlen muss.» Michelbach schlägt einen vom
Staat aufgelegten Innovationsfonds mit einem Garantiezins von zwei
Prozent als sichere Anlagealternative vor.

Geschäftsbanken müssen mittlerweile 0,5 Prozent Zinsen zahlen, wenn
sie überschüssige Gelder bei der Europäischen Zentralbank (EZB)
parken. Auch wenn es neuerdings Freibeträge für bestimmte Summen
gibt, bleibt dies für die Branche eine Milliardenbelastung. Die
Kosten geben immer mehr Geldhäuser inzwischen weiter und berechnen
ihren Kunden Negativzinsen. Nach Angaben der Bundesbank gab es im
vergangenen Jahr 1783 Banken und Sparkassen in Deutschland.