Nach dem Gipfel beraten die EU-Minister über Libyen

20.01.2020 05:00

Der Aufwand war gewaltig: Aufs Schärfste bewacht kamen wichtige
Akteure im libyschen Bürgerkrieg in Berlin zusammen. Der Weg zu
Frieden in dem ölreichen Land scheint möglich - wenn alle Beteiligten
ihre eigenen Beschlüsse wirklich ernst nehmen.

Brüssel/Berlin (dpa) - Nach den Grundsatzbeschlüssen für einen neuen

Friedensanlauf für Libyen beginnt die Detailarbeit.
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) und seine europäischen Kollegen
wollen an diesem Montag in Brüssel über die Ergebnisse des Berliner
Gipfels beraten. Dort hatten sich die in den Bürgerkrieg verwickelten
Staaten zu einer Einhaltung des Waffenembargos und einem Ende der
militärischen Unterstützung für die Konfliktparteien verpflichtet.

Maas zeigte sich zuversichtlich, dass die Berliner Vereinbarung den
militärischen Konflikt beenden kann und einen politischen Prozess zum
Frieden eröffnet. «Ich glaube, dass alle erkannt haben, ... dass es
keine militärische Lösung gibt, und dass alle eigentlich ein
Interesse daran haben müssen, dass dieser Krieg beendet wird», sagte
er am Sonntagabend im ZDF. «Das ist der eigentliche Erfolg dieser
Konferenz.»

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach von einer umfassenden Einigung
auf politische Schritte für eine Friedenslösung unter dem Dach der
Vereinten Nationen. Alle Beteiligten hätten deutlich gemacht: «Es
gibt keine militärische Lösung.»

US-Außenminister Mike Pompeo sagte auf dem Rückflug aus Berlin, die
Libyen-Konferenz habe zumindest dazu beigetragen, dass künftig
weniger Waffensysteme und weniger neue Streitkräfte die Region
erreichen werden. Aber: «Es gibt immer noch viel Arbeit zu tun.»

Zur Frage einer Beteiligung der Bundeswehr an der Überwachung einer
Friedenslösung mahnte Merkel: «Ich finde, wir dürfen jetzt doch nicht

den übernächsten Schritt vor dem ersten diskutieren.» Maas sagte,
zunächst müsse aus der brüchigen Waffenruhe ein dauerhafter
Waffenstillstand werden. «Und dieser wird auch beobachtet werden
müssen. Da geht es nicht gleich um Militäreinsätze, da kann es erst
mal um Beobachtermissionen gehen. Und darüber wird jetzt zu reden
sein.» Maas wies dabei auch auf das Treffen der EU-Außenminister hin.

Zudem würden sich in der ersten Februarhälfte alle Außenminister der

an der Berliner Konferenz beteiligten Staaten und die internationalen
Organisationen in Deutschland «wiedertreffen, um diesen Prozess zu
begleiten, zu beobachten und auch dafür zu sorgen, dass er bei den
Menschen in Libyen ankommt», kündigte Maas an.

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte vor der
Konferenz gesagt, wenn ein nachhaltiger Waffenstillstand vereinbart
sei und international abgesichert werden müsse, «wird natürlich auch

die Frage kommen, wie soll das geschehen». Dass sich dann Deutschland
«mit der Frage auseinandersetzen muss, was können wir dazu
einbringen, das ist vollkommen normal».

In der Berliner Erklärung der 16 beteiligten Staaten und
Organisationen heißt es, internationale Anstrengungen zur Überwachung
des Waffenembargos sollten verstärkt werden. Gefordert wird eine
umfassende Demobilisierung und Entwaffnung der Milizen. Verletzungen
eines Waffenstillstandes sollen sanktioniert werden. Der
EU-Außenbeauftragte Josep Borrell könnte am Montag in Brüssel
Vorschläge präsentieren, wie die EU die Berliner Beschlüsse
unterstützen könnte.

Die Umsetzung von Waffenembargo und Waffenstillstand zu überwachen,
sollte Aufgabe der Europäer sein, forderte der Vizevorsitzende der
Unionsbundestagsfraktion, Johann Wadephul. «Wir können nicht
tolerieren, dass Libyen auf lange Sicht Tummelplatz für
Waffenschmuggler, Menschenhändler und islamistische Terroristen
bleibt.» Der FDP-Außenpolitiker Bija Djir-Sarai sagte: «Europa muss
bereit sein, an einem Friedenseinsatz unter UN-Führung auch mit
Personal teilzunehmen.» Seine Grünen-Kollegen Agnieszka
Brugger und Omid Nouripour erklärten dagegen: «Es ist noch zu früh,
über einen Bundeswehreinsatz zu diesem Zweck zu spekulieren.»

In Libyen war nach Sturz und Tötung des langjährigen Machthabers
Muammar al-Gaddafi 2011 ein Bürgerkrieg ausgebrochen. Die Regierung
von Ministerpräsident Al-Sarradsch ist international anerkannt, hält
aber nur kleine Gebiete rund um die Hauptstadt Tripolis im Westen des
Landes. Gegen Al-Sarradsch kämpft der General Chalifa Haftar mit
seinen Verbündeten, die weite Teile des ölreichen Landes beherrschen
und ebenfalls aus dem Ausland unterstützt werden.

Nach Berlin gekommen waren auch der türkische Präsident Recep Tayyip
Erdogan, der Al-Sarradsch unterstützt, und Russlands Präsident
Wladimir Putin, der auf Haftars Seite steht. Auch Al-Sarradsch und
Haftar waren vor Ort, wenn auch nicht am Verhandlungstisch dabei.
Maas sagte, er und Merkel hätten beide getrennt getroffen und dabei
auch über die blockierten Ölhäfen in dem Land gesprochen. «Beide
Seiten haben sich grundsätzlich bereit erklärt, dafür eine Lösung z
u
finden.»

Kanzlerin und Außenminister betonten aber auch, dass der Gipfel nur
ein erster Schritt in einem längeren Prozess sei. «Ich mache mir
keine Illusionen, dass das natürlich noch eine schwierige Wegstrecke
sein wird», sagte Merkel. Maas sagte, dass man sich mit dem Gipfel
nur den Schlüssel zur Lösung des Konflikts besorgt habe.

Auf die Berliner Konferenz sollen nun rasch weitere Schritte folgen.
Beide Konfliktparteien hätten jeweils fünf Teilnehmer für eine
zehnköpfiges Gremium benannt, das die Grundlagen für einen
gefestigten Waffenstillstand schaffen solle, sagte Merkel. Die
Einladung solle noch in der kommenden Woche verschickt werden.
Aktuell gibt es in dem Bürgerkriegsland nur eine Waffenruhe.

Das Konferenzpapier formuliert einen neuen politischen Prozess, der
eine Stärkung der zentralen Institutionen zum Ziel hat und auf eine
Rückkehr zum politischen Prozess unter Führung der Vereinten Nationen
abzielt. Eine Reform des Sicherheitssektors müsse das Gewaltmonopol
des Staates wieder herstellen, heißt es darin. Gefordert wird auch
eine transparente und gerechte Verteilung der Öleinnahmen im Land.

Maas hält es auch für nötig, über die EU-Rettungsmission «Sophia
» im
Mittelmeer neu nachzudenken. Mit Blick auf die Flüchtlingslager in
Libyen sagte er in der ARD: «Ich kann ja nicht sagen, ich halte die
Zustände für unmenschlich, und dann befürworten, wenn Leute dahin
zurückgebracht werden. Über «Sophia» werden wir ja sowieso wieder
reden müssen.» Die EU beschränkt sich derzeit bei ihrer Mission auf
die Ausbildung der libyschen Küstenwache, hat aber keine eigenen
Schiffe mehr vor Ort, die über das Mittelmeer nach Europa strebende
Migranten vor dem Ertrinken retten könnten.