EU erwägt Wiederbelebung von Marineoperation vor libyscher Küste
20.01.2020 13:33
Nach dem Libyen-Gipfel in Berlin fängt die Feinarbeit an. Waffenruhe
und Waffenembargo in dem Bürgerkriegsland müssen überwacht werden.
Welche Rolle könnte die EU dabei übernehmen?
Brüssel (dpa) - Nach dem Libyen-Gipfel erwägt die EU eine
Wiederbelebung ihrer Militärmission vor der Küste des
Bürgerkriegslandes. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sprach sich
am Montag beim Außenministertreffen der 28 Mitgliedstaaten klar dafür
aus. «Ich denke, wir sollten sie wiederaufleben lassen», sagte er
über den Anti-Schleuser-Einsatz, der aber auch den Waffenschmuggel
unterbinden soll. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hatte sich
zuvor offen für einen solchen Schritt gezeigt. Zudem wird in der
EU darüber diskutiert, ob die Ergebnisse der Libyen-Konferenz mit
einer Mission in dem Land selbst abgesichert werden könnte.
16 Staaten und Organisationen hatten sich am Sonntag in Berlin darauf
geeinigt, internationale Anstrengungen zur Überwachung des bereits
seit 2011 bestehenden UN-Waffenembargos zu verstärken. Gefordert wird
eine umfassende Demobilisierung und Entwaffnung der Milizen im dem
Bürgerkriegsland. Verletzungen eines Waffenstillstandes sollen
sanktioniert werden.
Die EU-Mission «Sophia» soll eigentlich zum Kampf gegen Schmuggel und
Menschenhandel beitragen. Dabei spielt auch das UN-Waffenembargo für
Libyen eine Rolle. Bis zum Ende der Marinemission im vergangenen Jahr
wurden am Rande aber auch immer wieder Migranten aus Seenot gerettet.
Seit dem Frühjahr 2019 ist die EU jedoch nicht mehr mit Schiffen vor
Ort, sondern beschränkt sich auf die Ausbildung der libyschen
Küstenwache. Grund dafür ist, dass die EU-Staaten sich nicht auf ein
System zur Verteilung Geretteter einigen konnten. Die damalige
populistische Regierung Italiens hatte dies gefordert, weil Gerettete
nach den Einsatzregeln ausschließlich nach Italien gebracht wurden.
Maas hält es nach der Berliner Libyen-Konferenz für nötig, über ein
e
Wiederaufnahme nachzudenken. «Ich kann ja nicht sagen, ich halte die
Zustände für unmenschlich, und dann befürworten, wenn Leute dahin
zurückgebracht werden. Über «Sophia» werden wir ja sowieso wieder
reden müssen», sagte er in der ARD. Das Mandat für die Mission läuf
t
Ende März aus. Dann muss die EU ohnehin entscheiden, wie es mit
«Sophia» weitergeht.
Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sagte, die Marinemission sei
unter dem ehemaligen rechtspopulistischen Außenminister Italiens,
Matteo Salvini, zusammengebrochen. «Salvini ist weg. Wir müssen
Sophia wieder aufbauen.»
Maas sagte, wichtigstes Ziel sei nun, dafür zu sorgen, dass
diejenigen, die die Bürgerkriegsparteien mit Waffen und Soldaten
versorgt hätten, die Unterstützung einstellten. Auf diese Art und
Weise sollten die Bürgerkriegsparteien dazu gezwungen werden, an den
Verhandlungstisch zu kommen. Das Waffenembargo werde auch Thema im
Sicherheitsrat der Vereinten Nationen sein. Bereits in dieser Woche
solle es bei einem Treffen unter Leitung des UN-Sondergesandten
Ghassan Salamé darum gehen, wie aus der Waffenruhe ein
Waffenstillstand gemacht werden könne. Auch die EU solle in
diesen Prozess integriert werden.
Welche Rolle die EU künftig in Libyen übernehmen könnte, ist jedoch
noch völlig offen. Mehrere Minister betonten am Montag, die
Ergebnisse der Libyen-Konferenz müssten verfolgt und überwacht
werden. Es gebe mehrere Möglichkeiten, wie die EU sich beteiligen
könnte, sagte Borrell. Schließlich müssten Waffenruhe und
Waffenembargo überwacht werden. Auf die Frage, ob er sich vorstellen
könne, dass Truppen unter EU-Flagge in Libyen eingesetzt werden,
sagte Borrell, darüber müssten die Minister beraten.
Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg sprach von einer
«Bandbreite» an Möglichkeiten - von Luftraum- bis Seeüberwachung.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich mit Blick auf einen
möglichen Bundeswehreinsatz in Libyen am Sonntag zurückhaltend
geäußert. Man dürfe jetzt nicht «den übernächsten Schritt vor d
em
ersten diskutieren». Italiens Außenminister Luigi Di Maio schrieb am
Montag auf Facebook, Italien sei bereit, eine führende Rolle bei der
Überwachung des Friedens in Libyen zu spielen. Zur Marinemission
«Sophia» äußerte er sich nicht.
In Libyen war nach Sturz und Tötung des langjährigen Machthabers
Muammar al-Gaddafi 2011 ein Bürgerkrieg ausgebrochen. Die Regierung
von Ministerpräsident Al-Sarradsch ist international anerkannt, hält
aber nur kleine Gebiete rund um die Hauptstadt Tripolis im Westen des
Landes. Gegen Al-Sarradsch kämpft der General Chalifa Haftar mit
seinen Verbündeten, die weite Teile des ölreichen Landes beherrschen
und ebenfalls aus dem Ausland unterstützt werden.