EU will neuen Fokus für Operation «Sophia» - Waffenembargo umsetzen

20.01.2020 18:43

Der neue Anlauf für einen dauerhaften Frieden in Libyen könnte auch
einen Neustart für die EU-Marinemission «Sophia» bedeuten. Schon bald

will der EU-Chefdiplomat Borrell Vorschläge vorlegen. Doch es gibt
Vorbehalte.

Brüssel (dpa) - Die EU will das UN-Waffenembargo für Libyen künftig
mit einer neu aufgesetzten Marinemission «Sophia» besser durchsetzen.
Das Mandat der Mission solle nicht geändert, aber auf die
Durchsetzung des Embargos fokussiert werden, sagte der
EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Montag nach einem Treffen der
EU-Außenminister in Brüssel. Er hoffe, dass die konkreten Vorschläge

bis zum nächsten Treffen der Außenminister am 17. Februar vorlägen.

Bundesaußenminister Heiko Maas äußerte sich zurückhaltender. Zunä
chst
einmal gehe es darum, «aus der brüchigen Waffenruhe (...) einen
Waffenstillstand zu machen», sagte der SPD-Politiker. Dabei werde ein
«breites Instrumentarium» debattiert, wie die EU sich beteiligen
könne. Man könne noch nicht entscheiden, ob auf bestehende Missionen
aufgebaut oder neue Einsätze ins Leben gerufen werden sollten.

Bei einem Libyen-Gipfel in Berlin hatten sich am Sonntag 16 Staaten
und Organisationen darauf geeinigt, internationale Anstrengungen zur
Überwachung des seit Jahren bestehenden UN-Waffenembargos zu
verstärken. Gefordert wurde zudem eine umfassende Demobilisierung und
Entwaffnung der Milizen in dem Bürgerkriegsland. Verletzungen eines
Waffenstillstands sollen sanktioniert werden.

«Sophia» soll eigentlich zum Kampf gegen Schmuggel und Menschenhandel
beitragen. Bis zum Ende der Marinemission im vergangenen Jahr wurden
am Rande immer wieder Migranten aus Seenot gerettet. Seit Frühjahr
2019 ist die EU jedoch nicht mehr mit Schiffen vor Ort. Grund dafür
ist, dass die EU-Staaten sich nicht auf ein System zur Verteilung
Geretteter einigen konnten. Die damalige populistische Regierung
Italiens hatte dies gefordert, weil Gerettete nach den Einsatzregeln
ausschließlich nach Italien gebracht wurden. Seit Beginn der Mission
2015 kamen so knapp 50 000 Migranten nach Italien.

Borrell betonte nun, das Waffenembargo müsse nicht nur auf dem Meer
kontrolliert werden. Die meisten Waffen kämen über die Landgrenze in
das Bürgerkriegsland Libyen. Deshalb brauche es auch Satelliten und
Luftraumüberwachung. Der Spanier betonte, dass die Neu-Fokussierung
nicht bedeute, dass «Sophia» sich nicht mehr um Migranten kümmern
werde. Jedes Schiff im Mittelmeer müsse sich an internationales Recht
halten. «Aber es muss klar sein, dass wir die Operation «Sophia»
nicht aus diesem Grund wiederbeleben.» Die Mission läuft Ende März
aus. Dann muss die EU ohnehin entscheiden, wie es mit «Sophia»
weitergeht.

Italiens Außenminister Luigi Di Maio machte am Montag klar, dass
Italien der Mission in ihrer früheren Form nicht zustimmen würde:
«Sophia» muss auseinander genommen und komplett anders wieder
zusammengesetzt werden.» Es müsse eine Mission sein, die dafür sorge

dass keine Waffen nach Libyen gelangten. Die Frage sei nicht, ob mit
den Schiffen wieder Migranten gerettet und nach Italien gebracht
werden. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sagte hingegen, die
Marinemission sei unter dem ehemaligen rechten Innenminister
Italiens, Matteo Salvini, zusammengebrochen. «Salvini ist weg. Wir
müssen «Sophia» wieder aufbauen.» Bei einem Neustart von «Sophia
»
wäre völlig unklar, welches Land die Geretteten künftig aufnehmen
würde.

Welche Rolle die EU über «Sophia» hinaus - etwa zur Durchsetzung
eines möglichen Waffenstillstands - künftig übernehmen könnte, ist

offen. Mehrere Minister betonten am Montag, die Ergebnisse der
Libyen-Konferenz müssten verfolgt und überwacht werden.

«Auch die Europäische Union muss und soll eine Rolle spielen», sagte

Maas. Zunächst einmal müssten nun jedoch Gespräche unter Führung de
r
Vereinten Nationen beginnen. Wenn Borrell im Februar seine Vorschläge
vorlegen werde, sei man auch in Libyen ein Stück weiter. «Im Moment
findet eine Debatte statt, den zweiten Schritt vor dem ersten zu
machen.» Man brauche jedoch erstmal einen Waffenstillstand, der
gesichert werden könne.

Borrell selbst hatte in diesem Zusammenhang jüngst einen
Militäreinsatz der EU in Libyen ins Gespräch gebracht. Am Montag
sagte er lediglich, die Minister würden darüber beraten. Auch die
Bundesregierung wollte sich am Montag nicht konkret äußern. Bevor es
keinen Waffenstillstand gebe, müsse auch nicht über eine Mission der
Bundeswehr in Libyen geredet werden, sagte ein Sprecher des
Auswärtigen Amts. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums
ergänzte, wenn diese Frage anstehe, werde sein Ministerium eine
Antwort geben können.

In Libyen war nach Sturz und Tötung des langjährigen Machthabers
Muammar al-Gaddafi 2011 ein Bürgerkrieg ausgebrochen. Die Regierung
von Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch ist international anerkannt,
hält aber nur kleine Gebiete rund um die Hauptstadt Tripolis im
Westen des Landes. Gegen Al-Sarradsch kämpft der General Chalifa
Haftar mit seinen Verbündeten, die weite Teile des ölreichen Landes
beherrschen und ebenfalls aus dem Ausland unterstützt werden.

Europa hat erhebliches Interesse an Stabilität an der Südküste des
Mittelmeeres - auch weil Libyen traditionell ein wichtiger
Öllieferant der EU ist. Das Land hat sich durch das Kriegsgeschehen
mit Willkürherrschaft und einer Schwäche der staatlichen
Institutionen in den vergangenen Jahren außerdem zu einem der
wichtigsten Transitstaaten für Flüchtlinge auf dem Weg Richtung
Norden entwickelt.