Kreise: Kein Rauswurf von Fidesz aus EVP

29.01.2020 18:13

Die Europäische Volkspartei - zu der auch CDU und CSU gehören - plagt
sich seit Jahren mit dem Ungarn Viktor Orban. Suspendiert ist dessen
Fidesz-Partei schon. Doch für den Rauswurf fehlt die Mehrheit.

Brüssel (dpa) - Die Fidesz-Partei des ungarischen Ministerpräsidenten
Viktor Orban muss vorerst keinen Rauswurf aus der Europäischen
Volkspartei (EVP) fürchten. Derzeit gebe es in der EVP keine Mehrheit
für derart «radikale Maßnahmen», sagte Parteichef Donald Tusk nach

Angaben von Teilnehmern am Mittwoch in der EVP-Fraktionssitzung in
Brüssel. Vielmehr bleibe die Mitgliedschaft von Fidesz suspendiert.

Die EVP-Mitgliedschaft des Fidesz war 2019 wegen Orbans EU-kritischer
Haltung und mutmaßlicher Verstöße gegen EU-Grundwerte auf Eis gelegt

worden. Vorher hatte die Orban-Partei mehrfach den damaligen
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker attackiert. Die EVP setzte
drei Parteivertreter ein, um einen Ausschluss zu prüfen. Auch diese
wurden sich dem Vernehmen nach aber nicht einig.

Anders als angekündigt soll ein kleiner Parteitag der
christdemokratischen Parteienfamilie nächste Woche weder über den
Ausschluss beraten noch entscheiden. Tusk wolle das Thema gar nicht
auf die Tagesordnung setzen, berichteten mehrere Teilnehmer aus der
Fraktionssitzung. Hintergrund sei auch die unentschlossene Haltung
von CDU und CSU, die zu den größten EVP-Mitgliedsparteien gehören.
Der Chef der CDU/CSU-Europaabgeordneten, Daniel Caspary, hatte sich
zuletzt gegen einen Rauswurf ausgesprochen.

Orban hat einen Rechtsschwenk der EVP zur Bedingung für seine weitere
Mitgliedschaft gemacht. Führende EVP-Politiker lehnen das jedoch ab.

In Budapest gab es am Mittwoch zunächst keine Reaktionen auf die
jüngsten Entwicklungen in der EVP-Fraktion. Die von Orban
kontrollierten Medien fahren seit Monaten eine scharfe Kampagne gegen
die Volkspartei, der sie rückgratlosen «Liberalismus» und Laschheit

bei der Verteidigung «christlicher Werte» vorwerfen. Bereits letzte
Woche hatte der «Spiegel» in seiner Online-Ausgabe darüber berichtet,

dass es in der EVP keine Mehrheit für einen Fidesz-Ausschluss gebe.

Am Montag schrieb Zsolt Bayer, ein Orban besonders nahestehender
Propagandist, im Fidesz-Sprachrohr «Magyar Nemzet»: «Sollen wir uns
jetzt über diese Nachricht freuen (...)? Ich für meinen Teil gebe
meiner Freude und Zufriedenheit Ausdruck, möchte aber zugleich
entschieden festhalten, dass es für uns keinen Grund gibt, in der EVP
zu bleiben.»

Zugleich weisen Beobachter darauf hin, dass Orban mit dem
fortgeschriebenen Status quo vorerst gut leben kann. Zwar fallen
seine mitunter intensiven Aktivitäten auf, das europäische
Rechtsaußen-Spektrum von der polnischen Regierungspartei PiS bis zur
Lega von Matteo Salvini zu einen. In einem solchen Block - käme er
zustande - wäre er ein großer Player, anders als in der EVP, wo er
vor allem seit der Aussetzung der Fidesz-Mitgliedschaft nur am Rande
mitmischt. 

Tatsächlich gestaltet sich aber das Einigungswerk an der rechten
Peripherie mühsam. Die polnische PiS steht Putins Russland feindselig
gegenüber, Salvini hingegen lobt es in den Himmel. Orban würde nicht
zögern - wie er in der Vergangenheit mehrfach klarstellte -, von sich
aus die EVP zu verlassen, wenn diese ihm einen Ausschluss in Aussicht
stellt. Da dieser aber nun vom Tisch ist, kann es dem Ungarn duchaus
entgegenkommen, dass am gegenwärtigen Zustand vorerst nicht gerüttelt
wird.