Haushaltsplan des EU-Ratspräsidenten stößt auf breite Kritik

15.02.2020 04:28

Nach tagelangen Konsultationen mit den Chefs der EU-Staaten legt
EU-Ratspräsident Michel einen milliardenschweren Haushaltsplan vor.
Dem Parlament ist das Papier nicht ehrgeizig genug. Aber zunächst
entscheiden andere.

Brüssel (dpa) - Der Vorschlag von EU-Ratspräsident Charles Michel für

den EU-Haushalt der nächsten sieben Jahre ist auf breite Kritik
gestoßen. Ablehnung kam sowohl aus dem Europaparlament wie von
Diplomaten verschiedener Mitgliedstaaten.

Ratspräsident Michel hatte am Freitag einen Mehrjährigen Finanzrahmen
(MFR) vorgelegt, der gut eine Billion Euro für die EU-Finanzperiode
von 2021 bis 2027 vorsieht. Dafür sollten die EU-Staaten 1,074
Prozent ihrer Wirtschaftsleistung in die EU-Kasse einzahlen. Das
Parlament hatte wiederholt 1,3 Prozent gefordert.

Parlamentspräsident David Sassoli forderte die Staats- und
Regierungschefs der 27 EU-Staaten auf, den Vorschlag bei ihrem
Sondergipfel nächste Woche in Brüssel nachzubessern. «Der heute
vorgelegte Vorschlag ist keine zufriedenstellende Grundlage für einen
Haushalt, der den zu Beginn des neuen Mandats eingegangenen
Verpflichtungen entspricht», erklärte Sassoli. «Es ist ein Vorschlag,

bei dem die Gefahr besteht, dass Europa nicht nur hinter seinen
eigenen Zielen zurückbleibt, sondern auch hinter anderen Akteuren auf
internationaler Ebene wie China und den USA.»

Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Europaparlament, Johan
Van Overtveldt, kritisierte, Michels Vorschlag ignoriere die Position
des Parlaments und halte die EU vom Erreichen ihrer Ziele ab. Van
Overtveldt lobte den Ehrgeiz von EU-Kommission und Rat beim
Klimawandel, der Digitalisierung und der geopolitischen Rolle
Europas. Es sei wichtig, dass die Bürger eine neue EU mit frischer
Energie erlebten. «Vor diesem Hintergrund ist der gerade vorgestellte
MFR-Vorschlag enttäuschend», erklärte der Ausschussvorsitzende.

«Wir können und werden diesem Vorschlag nicht zustimmen», kündigten

die Sozialdemokraten im Europaparlament an. Ähnlich äußerte sich der

Haushaltsexperte Rasmus Andersen von den Grünen: «Das Parlament
kämpft für eine gemeinsame europäische Zukunft, für das Klima, gege
n
Armut und für die junge europäische Generation. Wir sind bereit und
werden dies nicht akzeptieren!» Die konservative französische
Abgeordnete Anne Sander wiederum sprach von «inakzeptablen
Einschnitten» ins Agrarbudget der Gemeinschaft.

Vertreter mehrerer EU-Staaten kritisierten Michels Plan ebenfalls.
«Es ist schwer zu erkennen, wie dieser Vorschlag die Grundlage für
einen Kompromiss sein soll», sagte ein EU-Diplomat nach der ersten
Präsentation des Michel-Papiers. So müsse die Lastenverteilung unter
den EU-Staaten nach diesem Vorschlag ständig nachjustiert werden. Ein
anderer Diplomat meinte: «Das ist kein großer Wurf.»

Positiv hob Parlamentspräsident Sassoli den Vorschlag einer
Plastiksteuer hervor, der Michels Vorschlag zufolge den künftigen
EU-Haushalt mitfinanzieren soll. In dem Papier heißt es, dass pro
Kilogramm unrecyceltem Verpackungskunststoff 80 Cent fällig sein
sollen. Mit der Plastiksteuer und möglichen Überschüssen aus dem
europäischen Emissionshandel sollen für die siebenjährige Periode 14

bis 15 Milliarden Euro zusammenkommen, hieß es aus dem Rat.

Insgesamt sieht Michels Vorschlag ein EU-Budget von 1,0948 Billionen
Euro für den Zeitraum 2021 bis 2027 vor. Die EU-Staaten sollen dafür
nach Vorstellungen des EU-Ratspräsidenten 1,074 Prozent ihrer
Wirtschaftsleistung in die Brüsseler Kasse zahlen. Einige EU-Staaten
wollen weniger zahlen, das Parlament fordert mehr Geld.

Deutlich weniger Mittel will Michel für die gemeinsame Agrarpolitik
ausgeben, die von 382,5 Milliarden Euro (ohne Großbritannien) auf
329,3 Milliarden schrumpfen würde. Für die Kohäsionspolitik, die
ärmere Regionen wirtschaftlich voranbringen soll, sind 323,2 statt
bisher 367,7 Milliarden Euro (ohne Großbritannien) vorgesehen. Auf
21,9 Milliarden Euro mehr als verdoppeln sollen sich hingegen die
Mittel für Migration und Grenzschutz.