Plan des Ratspräsidenten zum EU-Haushalt stößt auf breite Kritik

16.02.2020 11:03

Wochenlang tüftelte Charles Michel an seinem Haushaltsplan. Der
Vorschlag des Ratspräsidenten soll einen Kompromiss beim EU-Gipfel
ermöglichen. Doch Einwände kommen schon kurz nach der Präsentation.

Brüssel (dpa) - Wenige Tage vor einem Sondergipfel zum EU-Haushalt
ist der lang erwartete Kompromissvorschlag von Ratspräsident Charles
Michel auf breite Kritik gestoßen. Ablehnung kam sowohl aus dem
Europaparlament wie von Diplomaten verschiedener Mitgliedstaaten. Am
Donnerstag kommen die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten
in Brüssel zusammen, um über den Finanzrahmen der Jahre 2021 bis 2027
zu beraten.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kritisierte auf der Münchner
Sicherheitskonferenz, dass einige Staaten den EU-Haushalt auf 1
Prozent der Wirtschaftsleistung begrenzen wollen. Häufig seien das
gerade die Länder, die sagen, man müsse schneller neue Länder in die

Staatengemeinschaft aufnehmen. «Das ist eine Scheibe Brot, die größer

und größer wird, mit der gleichen Menge an Butter.»

Ratspräsident Michel hatte am Freitag einen Mehrjährigen Finanzrahmen
(MFR) vorgelegt, der 1,0948 Billionen Euro für den Zeitraum 2021 bis
2027 vorsieht. Dafür sollten die EU-Staaten 1,074 Prozent ihrer
Wirtschaftsleistung in die EU-Kasse einzahlen. Das Parlament hatte
wiederholt 1,3 Prozent verlangt.

Parlamentspräsident David Sassoli forderte die Staats- und
Regierungschefs auf, den Vorschlag nachzubessern. Michels Plan berge
die Gefahr, «dass Europa nicht nur hinter seinen eigenen Zielen
zurückbleibt, sondern auch hinter anderen Akteuren auf
internationaler Ebene wie China und den USA.»

Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Europaparlament, Johan
Van Overtveldt, lobte den Ehrgeiz von EU-Kommission und Rat beim
Klimawandel, der Digitalisierung und der geopolitischen Rolle
Europas. Es sei wichtig, dass die Bürger eine neue EU mit frischer
Energie erlebten. «Vor diesem Hintergrund ist der gerade vorgestellte
MFR-Vorschlag enttäuschend», erklärte der Ausschussvorsitzende.

«Wir können und werden diesem Vorschlag nicht zustimmen», kündigten

die Sozialdemokraten im Europaparlament an. Ähnlich äußerte sich der

Haushaltsexperte Rasmus Andersen von den Grünen: «Das Parlament
kämpft für eine gemeinsame europäische Zukunft, für das Klima, gege
n
Armut und für die junge europäische Generation» - Michels Plan werde

man nicht akzeptieren. Die konservative französische Abgeordnete Anne
Sander wiederum sprach von «inakzeptablen Einschnitten» ins
Agrarbudget der Gemeinschaft.

Vertreter mehrerer EU-Staaten kritisierten Michels Plan ebenfalls.
«Der neue Vorschlag für den EU-Haushalt ist ein Rückschritt», sagte

ein EU-Diplomat. Das mache eine Einigung beim Sondergipfel schwerer.
Kritik gab es auch an einem Passus, der die Verwendung der Mittel im
Sinne demokratischer und europäischer Werte sicherstellen soll: «Es
ist eine schlechte Nachricht, dass Charles Michel den vorliegenden
Vorschlag beim Thema Rechtsstaatlichkeit stark verwässert hat. Das
ist ein Schritt in die falsche Richtung», hieß es.

Positiv hob Parlamentspräsident Sassoli den Vorschlag einer
Plastiksteuer hervor, der Michels Vorschlag zufolge den künftigen
EU-Haushalt mitfinanzieren soll. Mit der Plastiksteuer und möglichen
Überschüssen aus dem Emissionshandel sollen für die siebenjährige
Periode 14 bis 15 Milliarden Euro zusammenkommen.

Weniger Mittel will Michel für die gemeinsame Agrarpolitik ausgeben,
die von 382,5 Milliarden Euro (ohne Großbritannien) auf 329,3
Milliarden schrumpfen würde. Für die Kohäsionspolitik, die ärmere
Regionen wirtschaftlich voranbringen soll, sind 323,2 statt bisher
367,7 Milliarden Euro (ohne Großbritannien) vorgesehen. Auf 21,9
Milliarden Euro mehr als verdoppeln sollen sich hingegen die Mittel
für Migration und Grenzschutz.