EU-Kommission will 100 Milliarden Euro Schulden für «Sure» aufnehmen

02.04.2020 14:32

Wenn in der Krise Aufträge wegbrechen, sollen EU-Staaten mit Hilfe
aus Brüssel Kurzarbeit unterstützen - das ist die Grundidee von der
Leyens. Sie will noch einmal milliardenschwere Hilfen mobilisieren.

Brüssel (dpa) - Die Europäische Kommission will mit Rückendeckung der

EU-Staaten 100 Milliarden Euro Schulden aufnehmen und sie in Form von
Krediten für Kurzarbeiterhilfen in der Corona-Krise weiter geben.
Dieses Konzept namens «Sure» stellte Kommissionspräsidentin Ursula
von der Leyen am Donnerstag in Brüssel vor. Sie versprach zudem
weitere Unterstützung für das Gesundheitswesen, für Fischer und für

sozial benachteiligte Menschen. Darüber hinaus will sie das nächste
mehrjährige EU-Budget zum «Marshall-Plan» für Europa umbauen.

«In dieser Coronavirus-Krise werden nur die stärksten Antworten
ausreichen», sagte von der Leyen. «Wir müssen jedes zur Verfügung
stehende Mittel nutzen.» Schon jetzt hätten die EU und ihre
Mitgliedsstaaten 2,7 Billionen Euro gegen die Pandemiekrise
mobilisiert. «Das ist die größte Reaktion der EU auf eine Krise in
der Geschichte.»

Für ihre neuen Vorschläge braucht von der Leyen die Zustimmung der
EU-Staaten und des Parlaments. Zentraler Punkt ist «Sure», die
Unterstützung für Kurzarbeiterprogramme in den EU-Staaten, die vor
allem besonders hart getroffenen Ländern wie Italien und Spanien
helfen soll. Von der Leyen sagte, sie habe den Plan bereits im Kreis
der EU-Staats- und Regierungschefs angerissen und mit einigen von
diesen auch näher besprochen. Die Reaktionen seien positiv und sie
rechne mit einer raschen Verabschiedung.

Gemeinsame Schulden auf europäischer Ebene sind politisch ein heißes
Eisen. In der Debatte über Corona-Bonds - also gemeinsame europäische
Anleihen zur Finanzierung von Staatshaushalten - ist noch kein
Kompromiss in Sicht. Bei der geplanten Aufnahme von Krediten durch
die EU-Kommission für «Sure» liegt der Fall etwas anders, da Umfang
und Zweck begrenzt sind. Erste Reaktionen von EU-Diplomaten waren
verhalten positiv.

Das Modell soll so funktionieren: EU-Staaten geben freiwillig
«glaubhafte, unwiderrufliche und verbindliche Garantien» in Höhe von

25 Milliarden Euro für «Sure» ab - müssen aber kein Geld einzahlen.

Mit den Garantien als Rückendeckung «leiht sich die Kommission Geld
an den Finanzmärkten», wie es in einer Erklärung der Behörde heiß
t.
«Die Kommission würde dann die Kredite zu günstigen Konditionen an
die Mitgliedsstaaten geben.» Anträge auf Unterstützung sollen alle
EU-Staaten stellen können.

Über dieses kreditfinanzierte Instrument hinaus will von der Leyen
alles verbliebene Geld aus dem laufenden EU-Haushalt für Krisenhilfen
mobilisieren. Aus dem europäischen Fischereifonds soll Geld für
Fischer und Aquakulturen fließen, die wegen der Krise nicht oder
weniger arbeiten können. Die ärmsten Europäer sollen aus einem
speziellen EU-Hilfsfonds mit elektronischen Gutscheinen unterstützt
werden.

Bei den milliardenschweren Strukturfonds soll vorübergehend auf
nationale Ko-Finanzierung verzichtet werden, wie es in den
Erklärungen der Kommission weiter heißt. Drei Milliarden Euro aus dem
laufenden Haushalt sollen direkt für Hilfen an die Gesundheitssysteme
fließen, auch um nötige Schutzausrüstung und Geräte weiter
aufzustocken. Von dieser Summe sind 300 Millionen Euro für einen
gemeinsamen Vorrat an medizinischem Gerät dienen.

Alle EU-Regeln würden gelockert, damit das Geld schnell und wirksam
fließen könne, sagte von der Leyen. «Damit bündeln wir die Kräfte
mit
den Mitgliedsstaaten, um Leben zu retten und Einkommen zu schützen.»

Zuvor hatte die Kommissionschefin in einer Art offenen Brief an die
Italiener Fehler der EU im Umgang mit Italien in der Krise
eingeräumt. Zu viele hätten anfangs nur an die eigenen Probleme
gedacht, schrieb von der Leyen in «La Repubblica». «Es war ein
schädliches Verhalten, das hätte vermieden werden können.»