Gutscheine statt Rückzahlung: Was die Regierung für Reisende plant Von Theresa Münch und Andreas Hoenig, dpa

02.04.2020 15:46

Unzählige Urlauber wollen gerade Geld für abgesagte Reisen
zurückhaben. Das könnte Airlines und Veranstalter in den Ruin
treiben. Die Bundesregierung hat einen Vorschlag, der beiden Seiten
helfen soll.

Berlin (dpa) - Der langersehnte Urlaub abgesagt, das Konzert findet
auch nicht statt. In der Corona-Pandemie müssen die Bürger auf vieles
verzichten. Zugleich könnten viele das Geld von bereits gekauften
Tickets gerade auch gut gebrauchen, etwa weil sie in Kurzarbeit sind
oder um ihren Job fürchten. Doch statt Erstattungen sollen die
Verbraucher nach dem Willen der Bundesregierung erst einmal
Gutscheine bekommen - weil es auch den Unternehmen der Reisebranche
alles andere als gut geht.

Wie sind Erstattungen eigentlich geregelt?

Normalerweise sind Airlines und die Veranstalter von Pauschalreisen
zu schnellen Erstattungen verpflichtet, wenn etwas wegen einer
Pandemie abgesagt wird. Bei Reisen gilt eine Frist von 14 Tagen, die
Kosten für stornierte Flüge müssen sogar innerhalb einer Woche
zurückgezahlt werden. Das haben viele Unternehmen in der Corona-Krise
zuletzt aber nicht gemacht - weil sie finanziell in enormen
Schwierigkeiten stecken.

Wer genau soll nun stattdessen Gutscheine bekommen?

Alle, die vor dem 8. März 2020 ein Ticket für einen Flug, eine
Pauschalreise oder eine Veranstaltung gekauft haben, die jetzt wegen
der Corona-Pandemie abgesagt wurde. Das betrifft Urlaubsreisen genau
wie Flüge zu Geschäftsreisen, Fußballspiele wie Konzerte, Lesungen
und wissenschaftliche Vorträge. Auch für Dauerkarten-Inhaber soll es
eine Lösung geben. Bei Flugtickets und Pauschalreisen muss allerdings
die EU-Kommission zustimmen - mehrere Länder wollen sich deswegen an
sie wenden.

Wie kann ich den Gutschein dann einlösen?

Das soll gehen, sobald das öffentliche Leben wieder läuft, es wieder
Urlaubsreisen, Flüge und Fußballspiele mit Zuschauern gibt. Man muss
auch nicht das erstbeste Angebot buchen - die Gutscheine sollen bis
Ende 2021 gelten und können dann wohl auch für Reisen zu anderen
Zielen oder Fußballspiele gegen andere Teams eingelöst werden. Die
Bundesregierung will die Reiseveranstalter ermutigen, auch Rabatte zu
geben, wenn ein Kunde seinen Gutschein einsetzt.

Und wenn ich den Gutschein nicht einlösen möchte?

Wer nach der Krise nicht mehr reisen möchte, etwa, weil sich der
Grund für den geplanten Trip erledigt hat, kann einfach abwarten.
Anfang 2022 sollen die Veranstalter die Erstattungen für alle nicht
genutzten Gutscheine auszahlen müssen.

Was ist mit Bürgern, die jetzt dringend Geld brauchen?

Für solche Fälle ist eine Härtefallregelung vorgesehen. Wenn ein
Kunde glaubhaft versichern kann, dass er sonst etwa seine Miete oder
dringende Einkäufe nicht mehr zahlen kann, soll er das Geld schon
jetzt zurückgekommen. Verbraucherschützer fordern auch, dass
Restzahlungen für solche Reisen jetzt nicht mehr verlangt werden, die
ohnehin wahrscheinlich abgesagt werden. «Gerade bei Pauschalreisen
geht es oft um hohe Beträge, auf die die Menschen lange gespart
haben», sagte der Chef der Verbraucherzentralen, Klaus Müller. «Da
ist der Frust groß. Kommen dann noch krisenbedingte Sorgen um den
Arbeitsplatz hinzu, wird daraus schnell Verzweiflung.»

Warum will die Bundesregierung die Gutschein-Lösung?

Weil es den Unternehmen der Reisebranche derzeit sehr schlecht geht -
und die massenhaften Erstattungen einige sogar in die Insolvenz
treiben könnten. Denn die Unternehmen haben oft erhebliche Fixkosten.
Da wegen der Corona-Pandemie fast niemand mehr reist, kommt gerade
aber kein Geld herein. Der Deutsche Reiseverband und die
Luftverkehrswirtschaft zeigten sich erleichtert. Die Einigung komme
für viele Reisebüros und Veranstalter gerade noch rechtzeitig. «Die
Gutschein-Lösung ist sinnvoll und fair. Sie verschafft den
Unternehmen in dieser schwierigen Lage etwas Luft zum Atmen»,
erklärte etwa die Lufthansa. Jetzt müsse schnell die Zustimmung aus
Brüssel kommen.

Was halten Verbraucherschützer davon?

Die haben große Bedenken. Letztlich würden die Bürger gezwungen, den

Unternehmen zinslose Kredite zu geben, kritisierte Müller. Zugleich
müssten sie selbst aber vielleicht Kredite aufnehmen und dafür Zinsen
zahlen. «Verbraucher dürfen nicht als schnelle und zusätzliche
Refinanzierungsquelle von Unternehmen missbraucht werden», forderte
Müller. Er schlug stattdessen vor, die Frist für Rückzahlungen bis
Ende April zu verlängern und den Unternehmen mit einem Fonds unter
die Arme zu greifen.